Sonntag, 13. November 2011

Es kostet weniger als 160 Euro


Als ich hier vor rund 18 Monaten das Apple iPad besprach, erntete ich Kritik, ich habe das Produkt nicht verstanden. Diese Einschätzung fußte unter anderem darauf, dass ich am iPad eine ordentliche Tastatur vermisste sowie einen eingebauten Ständer, damit man es nicht festhalten muss, um damit Fotos zu zeigen. Ich habe das iPad durchaus verstanden - und mir dennoch keins gekauft. Der Grund dafür ist einfach: Das iPad ist ideal, um eine Nutzungslücke zu schließen, die sich zwischen einem Smartphone und einem Notebook auftut. Nur ist diese Lücke für mich nicht 500 bis 800 Euro groß - das ist der Preis für ein iPad mit oder ohne 3G-Modul.
Jetzt schockt die Verlagsgruppe Weltbild die Fachwelt mit einer neuen Ansage: Ende Oktober haben sie das Cat Nova auf den Markt gebracht, ein Touchpad für unter 160 Euro. Es hat ein multi-touchfähiges, kapazitives Display (reagiert auf Berührung, nicht auf Druck), zwei eingebaute Kameras, beherrscht WLAN und GPS - kurz, es kann eigentlich alles, was ein iPad auch kann - und es kostet gerade einmal ein Drittel eines iPad (Das beginnt in der 16GB-Variante bei 479 Euro).
Wieso, so fragt man sich, redet alle Welt von Apple und Amazon, wenn aus deutschen Landen Konkurrenten kommen, die zwei Drittel weniger kosten?
Also, nehmen wir uns das Cat Nova mal vor. Es wurde von einer deutschen Firma namens Eins SE designt, steht auf der Rückseite. Gebaut wird es aber wohl in China. Die Verpackung und das Gerät selber sind ein ganzes Stück von der puristischen Eleganz entfernt, die etwa ein iPad auszeichnet. Aber, nicht vergessen: Es kostet nur ein Drittel. Es ist auch kleiner als ein iPad, was auch am kleineren Acht-Zoll-Bildschirm liegt. Mit einer Bildschirmdiagonale von rund 20 cm ist das Cat-Display etwa 25 Prozent kleiner als das iPad-Zehnzolldisplay. Das Gehäuse misst 210 x 160 x 11 mm und wiegt 500 Gramm. Zum Vergleich: ein iPad 2 misst 241 x 186 x 9 mm und wiegt 100 Gramm mehr. Interessanterweise wird das Cat Nova von iPad-Besitzern beim ersten Anheben als überraschend schwer empfunden, dabei wiegt es fast 20 Prozent weniger als ein iPad, welches allerdings spürbar flacher ist. Ob einem ein Achtzollgerät lieber ist als ein Zehnzollgerät, das ist Geschmacksache. Immerhin passt das Cat Nova einigermaßen in die Außentasche meiner Jacke, ein iPad wäre dafür zu groß.
Die Ausstattung des Cat Nova ist beachtlich, nicht an Bord sind eigentlich nur Bluetooth und UMTS, aber dafür kostet es ja auch nur 160 Euro. Der eingebaute Speicher teilt sich auf in 512 MB Arbeitsspeicher und 4 GB internen Flash-Speicher. Das klingt im Vergleich zu den 16 GB, die ein iPad mindestens an Bord hat, mager, aber im Gegensatz zum iPad hat das Cat Nova einen Slot für eine Micro-SD-Speicherkarte. Und während sich Apple den internen Speicher fürstlich bezahlen lässt (das 32GB-Modell kostet 100 Euro mehr, das 64GB-Modell 200 Euro), kostet eine 32GB-Erweiterungskarte für das Cat Nova weniger als 30 Euro. In der Schachtel liegt auch noch ein USB-Adapter, mit dem USB-Memorysticks angeflanscht werden können.
Für die USB-Adapter-Kabelpeitsche bietet Weltbild auch noch einen UMTS-Stick an, damit kann man das Cat Nova 3G-tauglich machen, allerdings ist das eine recht unelegante Lösung. Besser geht es mit einem Smartphone, das Tethering via WLAN-Hotspot beherrscht. So wird das Handy zu einem WLAN-Router mit Internet-Zugang, das Tablet klinkt sich einfach via WLAN dort ein. Klappt in der Praxis wunderbar und ist auch für Apple-Jünger eine Alternative zum sündhaft teuren iPad 3G.
Soweit die Papierform, hier sieht das Cat Nova geradezu unverschämt gut aus. Man darf nicht vergessen, es kostet nur 160 Euro.
Nach dem ersten Anschalten merkt man auch, womit die Ersparnis gegenüber dem iPad erkauft wird. Das Display ist mit einer Auflösung von 800 x 600 Pixel eine ganze Stufe unter den 1024 x 768 Pixel angesiedelt, die das iPad zu bieten hat, Und obwohl beide Displays rein rechnerisch die gleiche Auflösung von 133 dpi haben, wirkt das iPad-Display schärfer und brillanter. Das Betriebssystem des Cat Nova (Android 2.3) ist nicht mehr der Stand der Technik, andere Tablets werden bereits mit Android 3 ausgeliefert, Android 4 steht bereits vor der Tür. Schlimmer noch: Android 2.3 ist ein Betriebssystem, das für Smartphones entwickelt wurde, und das Cat Nova ist keins. Das ist vermutlich auch für eine lästige Macke verantwortlich, die Cat noch in den Griff kriegen muss: Das Cat Nova schafft keinen stabilen Ruhezustand. Ist der Monitor einmal abgeschaltet, bleibt er eben nicht aus - das Tablet wacht in unregelmäßigen Abständen wieder auf und schaltet das Display an. Angeblich, so glaubt die Android-Szene, um zu überprüfen, ob jetzt endlich Mobilfunk-Empfang verfügbar sei, dabei fehlt dem Cat dafür das 3G-Funkmodul.
Das unregelmäßige Aufwachen des Tablets trägt auch zum größten Nachteil des Gerätes bei: Seinem schlechten Batterie-Management. 6 bis 8 Stunden Betriebszeit verspricht das Handbuch, in der Praxis hält eine Akkuladung gerade einmal halb so lang. Während ein iPad-Besitzer im ICE von München nach Hamburg problemlos die ganze Zeit surfen, Videos gucken oder Musik hören kann, ist beim Cat Nova spätestens in Kassel Schluss. Dabei ist der Akku im Cat Nova mit 4.400 mAh durchaus anständig dimensioniert - ein iPad mit größerem , hellerem Display kann maximal zehn Prozent mehr Batteriekapazität vorweisen, läuft aber fast doppelt so lang.
Dieses Problem disqualifiziert das Cat Nova auch für die Aufgabe, für die Weltbild das Tablet eigentlich vorgesehen hat: Als E-Book-Reader. Mit dem Amazon Kindle habe ich in zwei Nächten einen 300-Seiten-Schinken durchgelesen, mit dem Cat Nova geht so was auf die Augen: Das Display strahlt einen abends auf dem Sofa lästig an, tagsüber in der prallen Sonne ist es zu dunkel. Außerdem liegt das gewichtige Tablet nach einigen Stunden bleischwer in der Hand, während der zum Beispiel der zierliche und billige Aluratek Libre (ebenfalls bei Weltbild erhältlich) mit seinen Abmessungen und seinem Gewicht von nur 210 Gramm in der Hand liegt wie eine Tafel Schokolade, die nicht schmilzt. Dazu kommt, dass der simple reflexive LCD-Schirm des Libre mit 150 dpi höher auflöst als das Cat-Display, und das ruhig, flimmerfrei und ausreichend kontrastreich. Zum Glück belässt es Weltbild beim Branding des Cat Nova mit einem kleinen Icon auf dem Startbildschirm, das auf den Weltbild-E-Book-Store verweist - und leicht zu entfernen ist.
Das Stichwort Branding ist ein wichtiges, denn anderes als zum Beispiel das neue android-basierte Kindle Fire hat das Cat Nova ein pfurznormales, unfrisiertes Android drauf, inkusive vollem Zugriff auf den Android Market. So lassen sich alle dort verfügbaren Apps aufspielen, Beschränkungen gibt es nicht.
Was fängt man jetzt mit dem Cat Nova an? Zum Lesen und auch zum Schreiben von E-Mails eignet es sich deutlich besser als ein Smartphone, auch Social Media Clients wie der von Facebook gewinnen deutlich durch den größeren Schirm. Die Video-Performance finde ich allgemein etwas enttäuschend. Zwar ist natürlich eine Youtube-App an Bord, doch in der Praxis dauert es recht lang, bis mal ein Youtube-Video startet - und gern bleibt es auch mal mitten in der Vorführung stehen. Surfen geht mit dem eingebauten Goole-Browser gut, aber wer den nicht mag, der findet – Android sei Dank – in Produkten wie Sunfire, Opera und Mozilla glänzende Alternativen. Mit ein bisschen Gefrickel und Suchen nach den passenden Apps erschließen sich plötzlich Funktionen, die man dem Gerät gar nicht zugetraut hätte: So verheiratet die App Upnplay das Tablet mit meinem Twonkymedia-Media Server im Arbeitszimmer und meinem D-Link-Mediastreamer im Wohnzimmer. Via WLAN habe ich jetzt Zugriff auf meine gesamte auf dem NAS im Arbeitszimmer gespeicherte Musiksammlung, rund 12.000 Titel. Und während ich mich auf dem Sofa lümmle und mir aussuche, was ich hören möchte, werden die ersten Titel bereits über die Stereoanlage abgespielt. Der Micro-SD-Speicherplatz ermöglich es auch, eine Speicherkarte mit Hunderten von Bildern einzustecken - und zum Bilderzeigen waren Tablets schon immer toll.
Echte Office-Anwendungen wie Lesen und Schreiben von Office-Dokumenten, Ausdrucken über das Netzwerk und Zugriff auf den Server gehen auch, allerdings durch fehlende Tastatur und Maus weit weniger elegant als mit einem Notebook. Erstaunlich dagegen die Android-App von Netviewer: Damit kann man tatsächlich einen kompletten Windows-PC fernsteuern.
Haupt-Vorteil des Cat Nova ist sein Preis, allein als komfortable Steuerzentrale für meine Musiksammlung ist es eigentlich seine 160 Euro schon wert. Nach einer Weile lernt man das Gerät schätzen, liest darauf morgens Spiegel Online, checkt in der U-Bahn bequem die Mails, die einen im Büro erwarten und schaut abends auf der App von TV Spielfilm, was es denn so im Fernsehen gibt. Einem iPad kann das Cat Nova dennoch das Wasser nicht reichen, aber wie gesagt: Der Preis!
Einziger richtiger und nicht wegzudiskutierender Nachteil ist das schlechte Power Management. Auch wenn man das Cat Nova nicht benutzt, sondern einfach nur herumliegen lässt, ist es nach acht Stunden am Ende. Natürlich könnte man das Tablet auch komplett herunterfahren, aber ein Neustart dauert eine Minute - die einem ewig erscheint, wenn man es in der Hand hält und etwas nachsehen will. Was es brauchen könnte, das wäre eine Docking Station, aber die ist nicht im Angebot.