Montag, 22. November 2010

Die Kunst des stilvollen Scheiterns (extended version)


Ein Suchbildrätsel: Was fehlt auf untenstehendem Foto?

Richtig: Es fehlt die Tachonadel. Zumindest große Teile von ihr. Die Tachonadel meines japanischen Präzisionskrades verabschiedete sich am Samstagmorgen gegen halb zehn, als ich mit Tempo 120 auf der schnurgeraden A92 in Richtung Landshut unterwegs war. Ich habe es zunächst gar nicht bemerkt, denn ich war viel zu sehr damit beschäftigt, bei Temperaturen von 1 bis 2 Grad Celsius nicht zu erfrieren, während ich versuchte, im von Sprühregen durchsetzen Nebel rund um den Flughafen Erding wenigstens rudimentäre Sicht auf die Straße zu behalten. Warum um alles in der Welt fährt einer, der noch alle seine Sinne beieinander hat, bei der Schweinekälte mit dem Motorrad nach Landshut, wo er doch auch das Auto nehmen könnte – oder einfach zuhause im Bett bleiben?

Nun, wir – mein japanisches Präzisionskrad und ich - hatten einen Termin bei Erich, dem Schraubergott. Erich schraubt seit Jahren an Yamaha TDM, er kennt jedes Teil davon beim Vornamen, und nach der Leistung, für die ich meiner Fachwerkstatt neulich über 200 Euro in den Rachen geworfen überwiesen habe, bin ich geneigt zu sagen: Erich kann das besser.

Mein japanisches Präzisisonskrad heißt Yamaha TDM 850, Freunde dürfen sie einfach TDM nennen. Die alte Dame wird im Februar 19, da hat man schon mal das eine oder andere Wehwehchen. Im Oktober war TÜV fällig, keine große Sache, dachte ich und wollte die Maschine zur Werkstätte für Zweiradmechanik e.V. bringen. Die kümmern sich normalerweise recht aufopferungsvoll um die TDM, und es ist auch eine gute Sache dahinter: Bei der WfZ bekommen sozial benachteiligte Jugendliche eine Lehrstelle und lernen was Gescheites. Im Moment lernen sie jedoch nix, weil die WfZ Winterpause macht bis Ende Januar. Also einen Yamahahändler im Münchner Westen kontaktiert und ihn um einen TÜV-Termin ersucht. Termin gemacht, Maschine gebracht, „Ist soweit alles in Ordnung?“ „Ich denke schon?“ „Okay, am Donnerstag ist sie fertig."

Am Freitag holte ich meine TDM ab, der Werkstattmensch eröffnete mir, dass sie neue Bremsbeläge vorn bekommen habe und dass die vorderen Bremskolben „etwas schwergängig“ seien, man könne aber so damit fahren. Im TÜV-Bericht steht explizit vermerkt, dass die Bremsen verkehrssicher seien und dass bei der Probefahrt die Straße nass gewesen sei (habt ihr so was schon einmal in einem TÜV-Bericht gelesen?). Auf dem Nachhausweg fiel mir dreierlei auf: Erstens hatte die Vorderradbremse keinen vernünftigen Druckpunkt mehr, zweitens betrug der Leerweg am Hebel mindestens doppelt so viel wiedrei Tage zuvor, als ich sie zum TÜV gebracht hatte und drittens wurde die Bremse nach mehrmaligem Pumpen härter – ein untrügliches Zeichen für Luft im Bremssystem.

Sie gleich wieder zurückbringen, das wäre natürlich eine Methode gewesen. Nur leider hat eine Fachwerkstatt immer die Möglichkeit, für unendlich viel Geld Neuteile zu verbauen, wenn sie mit den 19 Jahre alten Originalen nicht klar kommen. Also erst einmal heim, immerhin hat sie ja jetzt eine frische TÜV-Plakette und vielleicht gibt sich das mit der Luft in der Bremse ja auch noch ein bisschen.

Es gab sich nicht. Es wurde auch nicht schlimmer, aber Spaß machte es nicht. Also machte ich einen Termin mit Erich aus, schwang mich am Samstag auf die TDM und rauschte ab nach Landshut, knapp 100 Kilometer eine Strecke. Ich fror, vermisste das Wischergummi am linken Zeigefinger meines Motorradsommerhandschuhs, mit dem ich bei Regen das Visier meines Helmes freihalten kann (und das merkwürdigerweise am Winterhandschuh desselben Herstellers fehlt) – und meine TDM warf ihre Tachonadel ab, Gott weiß warum.

Beim Erich angekommen, gingen wir gleich ans Werk. Das Entlüften der Vorderradbremse einer Yamaha TDM 850 ist eine Aufgabe für einen, der Vater und Mutter erschlagen hat, so viel ist sicher. Das gesamte Bremsleitungssystem vom Bremsgriff bis zu den beiden Bremssätteln (Die TDM hat zwei davon am Vorderrad) muss komplett luftleer sein, schon eine Luftblase von der Größe eines Stecknadelkopfes reicht aus, um den Druckpunkt weich wie Gummi zu machen. Dummerweise befinden sich die Schrauben zum Entlüften unten an den Bremssätteln. Luft hat aber die unangenehme Eigenschaft, nach oben zu steigen. Dazu kommt noch, dass die Bremsleitungen von beiden Bremssätteln über einen so genannten Konnektor laufen, also eine Verbindung, die aus zwei Leitungen eine macht. So können also Luftblasen wunderbar von einem Bremssattel zum anderen wandern, während man oben Bremsflüssigkeit einfüllt und unten drauf wartet, dass am Entlüftungsnippel Luftblasen rauskommen. Bei der Gelegenheit bemerkte Erich übrigens eine schwer gehende Entlüftungsschraube – so schwer gehend, dass Zweifel erlaubt sein dürfenob diese Schraube beim letzten Werkstattbesuch überhaupt benutzt wurde.

Es gibt eine recht pfiffige Methode, Bremsen zu entlüften: Man drückt die Bremsflüssigkeit von unten nach oben durch die Leitungen. Eventuell eingeschlossene Luft wird nach oben gedrückt und tritt am Bremsflüssigkeitsbehälter am Lenker wieder aus. Dafür braucht man eine große Injektionsspritze und einen flexiblen Silikonschlauch. An der Spritze gebrach es uns aber, und Kaufen war auch schwierig, am Samstag nach Mittag. So bastelten wir herum bis nachmittags um zwei und der hässliche Geruch des totalen Scheiterns lag in der Luft – die TDM hatte zu diesem Zeitpunkt vorn überhaupt keinen Bremsdruck mehr, der Hebel ließ sich bis zum Anschlag widerstandslos durchziehen. Schließlich trieb Erich doch noch eine Spritze auf, in der Öl für einen Kettenöler schwappte. Nach einer halben Flasche Bremsenreiniger und viel manueller Zuwendung war die Spritze ölfrei und nahezu jungfräulich. Damit gelang uns das Kunststück. Irgendwann blubberte eine Luftblase groß wie ein veritabler Pfurz aus dem Ausgleichsbehälter, gefolgt von einer kontrollierten Fontäne reinster Bremsflüssigkeit. Und der Druckpunkt war da: Klar, transparent, mustergültig.

Was hat das alles mit der Tachonadel zu tun?

Die hätte Erich am liebsten auch gleich repariert, wir hatten aber keine Zeit mehr. Er meinte noch „Die kannst du mit Sekundenkleber kleben“, dann entließ er mich auf den kalten Rückweg nach München – mit einer gut ziehenden Vorderradbremse.

Heute habe ich mich dem Tachoproblem angenommen. Der Tacho sitzt in einem Kombiinstrument, und das ist eigentlich recht schnell ausgebaut: Tachowelle ab, vier Spezialstecker gezogen, zwei 10er Muttern weg, schon hält man das gute Stück in der Hand. Okay, vorher muss man natürlich noch die dreiteilige Verkleidung der Maschine abschrauben, das macht umso mehr Spaß, je kälter es dabei ist. Aber ich war heute gut in Form: Nach einer halben Stunde hielt ich das Kombiinstrument in der Hand, fünf Minuten später lag es auseinandergeschraubt auf unserem Esstisch und ich stapfte durch den Nieselregen zum Drogeriemarkt, um Sekundenkleber zu kaufen.
Die 2,85 Euro, die ich für eine Flasche „UHU Sekundenkleber Blitzschnell“ ausgegeben habe, erwiesen sich leider wenig später als herausgeworfenes Geld, denn obwohl streng nach Vorschrift vorgegangen, klebte das Zeug etwa so gut wie Spucke. Das Bild hier täuscht: Keine zehn Sekunden nach der Aufnahme senkte sich der Zeiger wieder aufs Ziffernblatt. Also alles sauber gemacht und noch etwas Zweikomponentenkleber gefunden. Den angerührt, damit alles verklebt, natürlich nicht ganz so schön glatt und fugenlos wie beim Sekundenkleber, fixiert, halbe Stunde gewartet: fest.

Dann den ganzen Zirkus wieder zusammengeschraubt, Kombiinstrument ans Motorrad, Verkleidung an den Rahmen, dabei den großen Ratschenkasten umgeschmissen, 50 Teile vom Bürgersteig geklaubt und wieder einsortiert, schändlich geflucht, dabei die doofe Nachbarin absichtlich nicht gegrüßt. Zum Schluss noch einmal am Bremsgriff gezogen. Fühlt sich irgendwie weich an.
Offenbar haben wir doch nicht alle Luft erwischt.
Update: Inzwischen scheint sich die Luft verflüchtigt zu haben. Der Druckpunkt ist wieder okay.

Samstag, 13. November 2010

Merry Christmas, Alder!


Kann man für Motorradfahrer, die ja zur Winterzeit in einen komatösen Wartezustand verfallen, coole Weihnachts-Werbung machen?


Yup, geht!

Samstag, 6. November 2010

Die Gadget-Tankstelle


Besitzer aktueller Smartphones wissen wovon ich rede: Die Dinger ziehen Strom wie eine Waschmaschine! Man muss nicht wie eine egomanische Quasselstrippe an seinem iPhone oder Google Nexus one (im Bild) hängen, um den Akku innerhalb eines Arbeitstages restlos platt zu bekommen. iPhone-Besitzer sind in diesem Fall besonders gehandicapt, da Apple die Akkus fest verbaut hat. Benutzer anderer Modelle könnten wenigstens theoretisch einen Ersatzakku einstecken - was aber in der Praxis auch nervt, denn ein Akkuwechsel im Stehen auf einer Messe ist oft kein Spaß, außerdem ist es mühsam, zwei Akkus zu laden, wenn man nur ein Handy und nur ein Ladegerät im Hotel hat. Als rustikale Lösung bieten einige Hersteller bereits so genannte Jackets an, Schutzhüllen mit eingebauten Zusatzakkus, in die man das Smartphone komplett hineinsteckt und die die Laufzeit deutlich verlängern.
Der Energizer Xpal XP 2000 verfolgt einen anderen Ansatz: Dieser Energiespeicher wird per Kabel an das Handy angeschlossen und lädt so dessen Akku auf. Was auf den ersten Blick - gemessen an den maßgeschneiderten Jackets - irgendwie umständlich wirkt, ist in der Praxis extrem praktisch, denn im Gegensatz zu einem für genau ein Handymodell gebauten Jacket lädt der Xpal XP 2000 so ziemlich alles auf, was sich mit 5 Volt Gleichstrom aufladen lässt: MP3-Player, PDAs, Bluetooth-Headsets, E-Book-Reader oder GPS-Logger. Dazu liegt dem Gerät ein Anschlusskabel mit sechs so genannten Tips bei, Adapterstecker für USB, Mini-USB, Micro-USB, Samsung, Nokia und iPhone/iPod. Damit hat man schon mal gefühlte 95 Prozent aller tragbaren Gadgets erschlagen, und beim Rest (zum Beispiel iPod Nano) nimmt man bei Bedarf einfach das USB-Kabel, das mit dem Gerät mitgeliefert wurde, denn das Ladekabel am Xpal steckt in einer handelsüblichen USB-Buchse. Natürlich gibt es auch Gadgets, die ohne USB-Kabel geliefert werden, aber sie sind selten, zum Beispiel das Motorradhelm-Headset Cardo Scala, das bei meinem Navi dabeilag. Dafür müsste man sich gegebenenfalls ein Kabel löten, die Tatsache, dass die Tips mit einem habwegs handelsüblichen Rundstecker am Ladekabel stecken, ist für solche Basteleien äußerst hilfreich.
Was die Ladeleistung angeht, die ist durchaus ordentlich. Das Google Nexus one, das ich testhalber an den Xpal drangehängt habe, hatte seine Batteriekapazität nach einer Stunde von 25 auf 75 Prozent erhöht - während es im Standby vor sich hin lief, Mails abrief und sonstige geheimnisvolle Dinge tat. Hätte ich das Handy zum Laden komplett ausgeschaltet, wäre es schneller gegangen. Die Handhabung ist idiotensicher: Xpal anstöpseln, Startknopf drücken, gut. Sobald das angeschlossene Gerät aufgeladen ist, schaltet der Xpal ab.
Mit seinen 2.000 mAh ist der Akku freilich als Notstromaggregat für eine dreimonatige Amazonas-Expedition zu dünn aufgestellt. Besagtes Google Nexus kommt mit 1.400 mAh Erstausstattung an den Start, die Kapazität eines Xpal reicht in der Praxis aus, um ein Smartphone dieses Kalibers einmal richtig aufzuladen. Das ist jetzt keine Mondlandung, aber für die Praxis eine ordentliche Ansage. Die Batterie des von mir erwähnten GPS-Loggers hat 650 mAh, da sind dann schon drei Ladezyklen drin. Zudem kann man eben mit einer solchen Zusatzstromquelle sein Gadget auch dort laden, wo keine Steckdose zur Verfügung steht - bei der Mittagspause im Biergarten etwa, während des Fluges im Flugzeug oder während der Fahrt auf einem Motorrad. Aufgeladen wird der Xpal XP 2000 selbst übrigens via USB-Kabel, was laut Hersteller vier Stunden dauern soll. 500 Ladezyklen stehen auf der Schactel, ausprobiert habe ich das nicht. Und einmal voll, so verspricht eben dieser Hersteller, hält das Ding seine Ladung bis zu einem Jahr. Bei gerade einmal 70 Gramm Lebendgewicht (Okay, mit Beutel, Kabel und ein, zwei Tips sind es dann vielleicht 100 Gramm) kann man sich das Teil gut als Helfer für den Notfall in seine Aktentasche/Messenger Bag/Prada-Täschchen stecken. A propos Notfall: Energizer verkauft die Dinger vorgeladen.
Was mich wirklich überrascht hat, war der moderate Preis: Je nach Online-Händler liegt man zwischen 25 und 30 Euro, ein Austauschakku für das Nexus one ist teurer, und iPhone-Besitzer... naja, das schrieb ich schon.
Wem die Kapazität des XP 2000 nicht reicht, der kann auch größere Kaliber kaufen: Energizer bietet Notstrom-Akkus an, die auch ganze Notebooks stundenlang am Laufen halten. Nur kosten die dann auch deutlich mehr Geld, und sie sind so groß und schwer, dass man sie nicht mal eben auf Verdacht in seine Tasche steckt.