Samstag, 30. November 2013

Fahrt im BMW i3: Ernste Ansage aus Bayern

Es ist leicht, ihn nicht zu mögen: Der BMW i3 polarisiert
Das Kabel ist fast so dick wie der Schlauch einer Zapfsäule. Es verbindet den BMW i3, das erste Großserien-Elektroauto der Bayern, mit einer Gleichstrom-Ladesäule auf dem Hof der BMW-Niederlassung in München-Milbertshofen. Damit lässt sich der Wagen angeblich in einer halben Stunde wieder zu 80 Prozent aufladen. "Ist eine Schutzschaltung drin, die verhindert, dass ich losfahre, wenn das Auto noch am Kabel hängt?" frage ich, und BMW-Azubi Andreas zückt die Funkfernsteuerung. Natürlich fährt der Wagen nicht, wenn er am Kabel hängt, doch die Ingenieure haben sich noch mehr Tricks einfallen lassen: Ist das Auto verschlossen, lässt sich auch das Ladekabel nicht abziehen. Und erst wenn man auch an der Starkstromsäule das Ende des Ladevorgangs bestätigt hat, wird das Kabel endgültig freigegeben. Dass man anschließend noch von Hand zwei Abdeckkappen auf die Steckdosen am hinteren Kotflügel stecken muss, bevor die "Tankklappe" zugeht, wirkt dann schon fast wieder provisorisch.

Ansonsten muss man lange suchen, bis man am neuen BMW i3 etwas findet, das unfertig und behelfsmäßig aussieht. Die Abdeckung unter der vorderen Service-Klappe etwa, unter der sich die Behälter für Bremsflüssigkeit und Wischwasser verbergen, wirkt etwas labbering. Auch die Kunststoffplatte, die den Kofferraumboden bildet, wirkt leicht, ist aber hochfest. Sie muss im Kofferraum liegen, damit keine schweren Gepäckstücke den darunterliegenden Akku beschädigen könnten. Von der Carbon-Fahrgastzelle sieht man nur dann etwas, wenn man danach sucht, in den Türausschnitten zum Beispiel.

Das sind Petitessen, ebenso wie das polarisierende Außendesign des i3: Ein kompakter, hoher Minivan mit vier Türen, von denen die hinteren beiden hinten angeschlagen sind und sich nur öffnen lassen, wenn die vorderen Türen offen stehen. Die Gürtellinie des i3 ist zerklüftet, die eckige Front gewöhnungsbedürftig. Seit der "Bangle-Ära" haben BMWs immer wieder für Diskussionen gesorgt, und der i3 macht keine Ausnahme: Auf den ersten Blick ist das Auto einfach nur hässlich. Wenn man dieses Auto nicht leiden mag, ist es einfach: mindestens 35.000 Euro teuer, mit einer lächerlichen Reichweite gesegnet und hässlich wie ein Fiat Multipla - komm, lass uns gehen.

Doch ich bin gespannt: Konsequent wie kein zweiter deutscher Autohersteller forscht BMW an der Zukunft der Elektromobilität. Bereits zur Olympiade 1972 hatte BMW einen 02er mit Akkus am Start, und vom BMW 1er Active-E hat BMW immerhin 1.000 Stück gebaut, und mit etwas Glück kann man sich heute als DriveNow-Kunde in München eins dieser Elektro-Coupés ausleihen. Rund drei Milliarden Euro soll BMW investiert haben für die Entwicklung des i3, den Einstieg in die Großserienfertigung von Carbon-Strukturen und den Aufbau eines Werks in Leipzig. Seit Jahren fahren in München getarnte Prototypen herum, BMW-Leute berichten davon, dass der Konzern in München-Milbertshofen fieberhaft Entwicklungs- und Fertigungskapazitäten ausbaut. Kein Zweifel: BMW dreht ein mächtig großes Ding - da verlangt es schon fast der Anstand, dass man es sich einmal ansieht.

Also einsteigen. Das geht leicht durch die großen Vordertüren mit den überflüssigerweise rahmenlosen Scheiben. Die Fenster gehen beim Öffnen der Tür einen Spalt nach unten und schließen sich wieder akkurat, wenn die Tür wieder geschlossen ist. Bewährte Technik bei BMW-Cabrios, aber wieso bei einem Hochdach-Auto? Wer nach hinten will, hat es etwas schwerer, aber nicht viel. Die hinteren Türen sind schmaler als die vorderen, aber anders  als bei normalen Viertürern lassen sich die Vordersitze vorklappen. So kommt man im i3 als Passagier besser auf die Rücksitze als in einem konventionellen Zweisitzer. Wenn man die hinteren Türen aufklappt, fällt noch etwas auf: Der i3 hat keine B-Säule, und das bedeutet für alle, die die Rücksitzbank nicht mit Erwachsenen, sondern mit Kindern in Kindersitzen oder mit ihren Habseligkeiten füllen: Man kommt von schräg vorn an die Sitzbank, was verdammt praktisch ist.

Praktischer als sie aussehen: Die gegenläufigen Türen
Sitz eingestellt (mechanisch), Lenkrad ebenso und die Tür geschlossen. Das Propeller-Logo auf dem Volant sagt, es ist ein BMW. Der Rest sagt es nicht. Normale BMWs sind immer wie etwas zu eng sitzende Anzüge. Zwar bieten sie mittlerweile dank üppiger Sitz-Verstellbereiche auch großen Fahrern genügend Platz, aber sie mauern sie ein. Der i3 ist anders: Das Armaturenbrett gleicht eher einem Design-Sideboard mit zwei Fernsehern drauf, und es ist weit weg. Das rechte Bein wird nicht von einer riesigen Mittelkonsole eingemauert, einen Kardantunnel gibt es nicht. Der i3 ist ein schmales Auto, deshalb fällt auch die Innenbreite nicht fürstlich aus, aber ansonsten ist Platz in Hülle und Fülle, sogar für stabil gebaute Zweimetermänner. Auffallenstes Bedienelement ist ein klobiger Bediensatellit, der hinter dem Lenkrad in Zwei-Uhr-Position hervorlugt. Er vereint den Startknopf, die elektronische Getriebesperre (P) sowie einen Gangwähler (D, N und R). Den Umgang damit lässt man sich exakt einmal erklären, dann hat man es verstanden. Ansonsten fällt auf, dass am Auto zu viele Knöpfe an Lenkrad und Sideboard verteilt sind, deren Funktionen sich nicht auf Anhieb erschließen. Aber egal, die meisten davon braucht man nicht zum Fahren.

Ganz anders als andere BMWs: Das Interieur
Das Fahren. Ein Druck auf den Startknopf (bei getretener Bremse) erweckt den i3 zum Leben, die beiden Displays (eins vorm Lenkrad, eins in der Mitte) leuchten auf und bewerfen den Fahrer mit Informationen, die nicht alle gleich wichtig sind. Und dann löse ich die elektrische Parkbremse und trete sachte aufs Gas. Der i3 setzt sich lautlos in Bewegung. Vom Motor hört man höchstens bei energischer Beschleunigung ein verhaltenes Summen, sonst hört man nichts. Und energische Beschleunigung bedeutet 7 Sekunden von 0 auf 100. Und auch schnell wieder zurück. Anders als andere Autos, die ihren gesammelten Schwung zum Ausrollen benutzen, wenn man mit dem Fuß vom Gas geht, beginnt der i3 sofort mit der Rekuperation, er erzeugt Strom und speist ihn in die Batterien zurück. Das wirkt auf den Vorwärtsdrang wie eine mittlere Bremsung. Stop & Go mit dem i3 ist ein 1-Pedal-Job: Ein Druck aufs Gaspedal lässt den Wagen losfahren. Loslassen bremst der Wagen so stark ab, dass er stehen bleibt. Nebeneffekt: Man braucht bei Stadttempo nur in Ausnahmefällen die Bremse, Gaswegnehmen reicht in 19 von 20 Fällen. Weiterer Nebeneffekt: Will man mit der gerade erreichten Geschwindigkeit weiterfahren, muss man den Gasfuß getreten halten. Eine grafische Anzeige im Monitor am Lenkrad zeigt an, ob das Auto gerade Strom braucht (beschleunigt), Strom erzeugt (rekuperiert) oder seinen Schwung ausnutzt (segelt). Was sich kompliziert anhört, ist in der Praxis ganz leicht, und die Anzeige ist im Grunde so unwichtig wie ein Drehzahlmesser, das hat man schnell im Gefühl.

Sehr schnell lernt man, den i3 ganz spielerisch mit einem Pedal zu fahren. Die ansatzlose Spurtkraft macht Kolonnenspringen einfach, das Rekuperieren beim Gaswegnehmen senkt den Verbrauch. Der ganze Wagen vermittelt das Gefühl von angenehm aufgeräumter Geborgenheit: Man sitzt gut, sieht ordentlich raus (auch wenn die A-Säulen etwas fett ausgefallen sind) und freut sich an Geräuscharmut und fast völliger Klapperfreiheit. Die Anfassqualität aller Teile reicht von "etwas windig" bis "sauber und präzise". Das Schwere, Tresorhafte ist nicht die Sache des i3, aber er wirkt bei weitem nicht wie eine Klapperkiste. Dazu passt auch der Fahrkomfort, deutlich besser als etwa beim Mini. Man fühlt sich in dem Wagen wohl, und wenn man drauftritt, dann schießt er voran, dass man sich dran gewöhnen könnte.

Nach einer Stunde kommen wir wieder bei der BMW-Niederlassung am Frankfurter Ring an. Ich parke den Wagen rückwärts ein, auf dem mittleren Display erscheint das Bild der Rückfahrkamera, aber ich komme mit den Rückfahrsensoren des i3 besser klar. Und: Dank Heckmotoren und Heckantrieb können die Vorderräder großzügig schwenken: Der i3 hat einen besonders kleinen Wendekreis.

Drei große Nachteile hat der i3: Die beschränkte Reichweite von rund 130 km im Komfort-Modus (mit Klima, Belüftung und dem ganzen Klimbim), die schlechte Ausstattung mit Ladesäulen und den hohen Preis. Ansonsten hat BMW da ein erstaunlich fertiges Auto auf die Räder gestellt, das toll fährt und einem nicht auf die Nerven geht. Immerhin, es gibt den i3 auch mit Range Extender: Ein kleiner Zweizylinder-Verbrennungsmotor sitzt dann im Heck, hält den Ladezustand der Akkus aufrecht und vergrößert die Reichweite auf 300 km. Er hat einen mickerigen Neun-Liter-Tank, der aber an jeder Tankstelle wieder aufgeladen werden kann. Das kleine Tankvolumen hat juristische Gründe: Ein E-Auto mit Benzinmotor an Bord bleibt nur so lange ein - steuerlich eventuell bevorzugtes - E-Auto, wie der Benziner nicht die Mehrheit an der Reichweite liefert.

Dienstag, 19. November 2013

Premiere: Lieblingskatze.net ist online


Heute ist ein großartiger Tag: Lieblingskatze, das neue Online-Magazin für Katzenfreunde, geht an den Start. Schaut es euch einmal an, der Besuch lohnt sich: www.lieblingskatze.net

Der kommende Klassiker

Ich habe ihn schon seit vier Monaten, aber hier ist er noch nie erschienen: Mein neuer Citroen C3 Pluriel. Ich hätte ihn schon längst einmal schön durchfotografieren können, bin aber bislang immer noch nicht dazu gekommen. Deutlich über 100.000 Stück hat Citroen im Zeitraum zwischen 2003 und 2010 von diesem skurrilen Auto gefertigt, knapp 20.000 daon wurden nach Deutschland verkauft. Und einer davon ist jetzt meiner.
Der Pluri, wie ich ihn meist nenne, wird bestimmt mal ein Klassiker: Niemals zuvor - und auch nicht danach - ist jemand auf die schräge Idee gekommen, ein solches Auto zu bauen. Und im täglichen Umgang mit dem Pluri fragt man sich auch manchmal, wie die Ingenieure von ihren Chefs eigentlich die Produktionsfreigabe bekommen haben. Denn: Der Pluri ist vier Autos in einem.
  1. Eine Limousine. Genauer gesagt, ein zweitüriges Kompaktwägelchen vom Format eines Fiat 500 auf Cortison.
  2. Ein Cabrio. Der Pluri hat ein elektrisch bedienbares Faltdach, das, wenn man es bis zum Anschlag zurückfährt, ein ganz schön großes Loch ins Auto macht. Drückt man dann nochmal auf den Schalter, dann fährt das Dach über die Heckscheibe und deckt sie ab. Jetzt kann man aussteigen und in einer peinlich genau zu befolgenden Reihenfolge die Heckscheibe (mitsamt Dach) hochklappen, die Heckklappe runterklappen (wie einst beim Mini), einen doppelten Boden im Kofferraum öffnen und die komplette Heckscheibe inklusive Faltdach dort hineinschwenken. Zuvor muss man aber noch die ganzen Abdeckungen herausnehmen, die sich normalerweise unter dem Zwischenboden tummeln. Keine fünf Minuten und zwei Dutzend Handgriffe später hat der Pluri keine Heckscheibe mehr. Dafür wird der (sehr bescheidene) Kofferraum jetzt von einer Hartplastik-Abdeckung verschlossen und die Besatzung sitzt an der frischen Luft. Bei Citroen heißt diese Stellung "Cabriolet"
  3. Ein Spider. Die beiden Dachbögen, die normalerweise das Faltdach führen, lassen sich nach Lösen von insgesamt vier Schnellverschlüssen abnehmen. Danach noch aus der bereits erwähnten Hartplastik-Kofferraumabdeckung die beiden Ecken entnehmen, die hinten die Anschlusstellen für die Dachholme verkleiden, und schon ist das Auto oben ohne. Doch Citroen wäre nicht Citroen, wenn es nicht noch eine Grande Complication gäbe: Die Dachholme sind zwar schnell abgebaut, aber man kann sie nirgends im Auto verstauen, sie müssen in der Garage zurückbleiben. Solange wettertechnisch eine stabile Hochdrucklage vorherrscht, ist das nicht weiter problematisch - und für unerwartete Gewitterschauer gibt es im Zubehör eine Notpersenning. Mit der kann man den Innenraum des Wagens gegen Regen schützen - man kann dann allerdings nicht damit fahren. 
  4. Ein Pickup. Wenn man die hinteren Sitze umlegt, verlängert sich die Ladefläche von etwa 40 cm auf rund 1,20 m. Klappt man dann noch die Heckklappe auf, dann wächst die Länge auf über 1,50 Meter, und was dort nicht hineinpasst, hängt eben hinten raus. Geniale Idee, aber leider illegal, denn wenn man mit offener Heckklappe fährt, dann ist das Hecknummernschild nicht mehr zu sehen. Aber dennoch: Die nächste Kommode vom Ikea wird kein Problem sein.
Abgesehen von dieser skurrilen - und in der Praxis nicht besonders praktischen - Dachkonstruktion gefällt der Pluri mit einer üppigen Ausstattung: Eine Klimaautomatik (die richtig gut funktioniert und sogar das Handschuhfach kühlt), eine Automatik für das Licht und die Scheinwerfer (die so naja funktioniert), eine automatische Ölstandskontrolle, die oft Blödsinn anzeigt, ein wirklich gut klingendes CD-Radio, ein allseitig verstellbares Lederlenkrad (was habe ich das vermisst), ein praktischer Bordcomputer, ein unpraktischer Digitaltacho und ein kaum ablesbarer Drehzahlmesser.
Was der anzeigt, interessiert mich ohnehin nicht wirklich, denn mein Pluri ist ein Sensodrive-Modell. Es hat ein automatisiertes Schaltgetriebe. Das ist ein normales Fünfganggetriebe, das von einem Elektromotor geschaltet wird. Die Kommandos zum Gangwechsel gibt der Fahrer über Schaltpaddel am Lenkrad oder einen Joystick-Schalthebel zwischen den Sitzen. Oder man überlässt diesen Job einem automatischen Schaltprogramm.
Die ersten zwei Monate war mein Verhältnis zu diesem Getriebe ambivalent, um es mal vorsichtig auszudrücken. Wer von einer stufenlosen CVT-Automatik (Fiat Punto Speedgear) kommt, muss ein solches Getriebe, das bei den Gangwechseln ruckt und den Motor heulen lässt, als Rückschritt auffassen. Inzwischen habe ich die Vorteile der Sensodrive-Box zu schätzen gelernt. So hat sie einen deutlich besseren Wirkungsgrad: Der Citroen ist größer und hat 30 PS mehr als der Fiat, dennoch braucht er weniger Sprit. Und mit den Schaltpaddeln kann man jederzeit manuell ins Schaltprogramm eingreifen. Auf der Landstraße gelingen Überholmanöver mit dem Pluri deshalb souveräner als mit dem Fiat, obwohl der Citroen mit 1,2 Tonnen deutlich schwerer ist. Und: Der Pluri schaltet sich fast wie ein Motorrad. In den Bergen macht das richtig Spaß. 
A propos Spaß: Im Sommer ist man mit dem Pluri ganz weit vorn. Nach nur zehn Minuten engagiertem Schraubens hat man hinter den Vordersitzen ein Windschott montiert, und wenn man dann die Cabriolet-Stellung (also mit weggeklappter Heckscheibe) herbeiführt, wird der Pluri zum unschlagbaren Landstraßengleiter. Das Dach einfach nur so auffahren ist eher was für die Stadt und die Kurzzstrecke. Bei etwas höheren Geschwindigkeiten wird es überraschend laut und zugig im Wagen, dazu kommt, dass man bei zurückgefahrenem Dach nicht schneller als 80 km/h fahren soll, damit der Fahrtwind keine Schäder anrichtet. Soll es schneller gehen, fährt man das Dach auf die Heckscheibe, dann gibt es keine Geschwindigkeitsbegrenzug - und keinen Durchblick im Innenspiegel mehr. 
Wie gesagt: Das wird bestimmt mal ein Klassiker.