Samstag, 25. August 2012

WDTV Live: Die kleine Digital-Wunderkiste

Seit einigen Monaten steht sie rechts unter unserem HD-Fernseher und fällt kaum auf: Die kleine Digital-Wunderkiste. Die Rede ist vom WDTV Live, ein Produkt des US-amerikanischen Festplatten-Pioniers Western Digital. Eine Festplatte ist in der kleinen Kiste nicht verbaut, dafür ein RJ45-Netzkabelanschluss, ein WiFi-Modul und zwei USB-Schnittstellen. Sie hat 79 Euro gekostet und wurde gekauft, um aus unserem Fernseher eine interaktive Multimedia-Zentrale zu machen. Nein, eigentlich stimmt das nicht. Sie wurde vor allem gekauft, weil ich mit meinem alten DLink-Mediastreamer DSM 320 nicht mehr zufrieden war.
Exkurs für alle Nicht-Techies: Was zur Hölle ist ein Mediastreamer?
Ich besitze eine Musiksammlung, die etwa 12.000 Titel umfasst. Diese Sammlung besteht aus etwa 500 CDs, die ich seit 1985 gekauft habe. Seit einigen Jahren kaufe ich meine Musik nicht mehr auf CD, sondern als Download, zum Beispiel bei Amazon. Statt einer Silberscheibe bekomme ich anderthalb Dutzend MP3-Dateien, dazu meistens das Cover als Grafik-Datei. Meine ganzen CDs habe ich vor ein paar Jahren in einer mehrwöchigen Aktion gerippt, also in MP3-Dateien verwandelt. Diese gesamte Musiksammlung umfasst derzeit rund 45 Gigabyte und lagert auf einem Netzwerklaufwerk (NAS). Dieses NAS fungiert in meinem Heim-Netzwerk als Mediaserver. Jeder PC in unserem Haushalt kann darauf zugreifen, so kann man zum Beispiel über den Windows Media Player die Musik abspielen, und zwar ganz nach Wunsch. Ein bestimmtes Genre gewünscht? Ein Interpret? Ein Album? Um die Musik, die auf dem Mediaserver in Form von MP3-Dateien gespeichert ist, abzuspielen, braucht es also ein Gerät, das per Netzwerk auf diesen Server zugreifen, die Daten lesen und in hörbare Musik verwandeln kann. Ein solches Gerät nennt man Mediastreamer (oder auch Media Renderer). Der erwähnte DLink DSM 320 machte genau das: Er konnte auf mein Heim-Netzwerk zugreifen, im Netzwerk einen betriebsbereiten Mediaserver finden und auf dessen Daten zugreifen. Zur Bedienung des DSM 320 gab es eine IR-Fernbedienung, als Anzeigedisplay diente der Fernseher, zur Wiedergabe der Musik die Stereoanlage, an die er angeschlossen war. Ende des Exkurses.
Wie der WDTV Live lässt sich auch der DSM 320 auf zwei Arten ans LAN anschließen, entweder per Kabel oder wireless. Der Haken: Da, wo mein Fernseher steht, habe ich kein LAN-Kabel. Und WLAN funktionierte beim DSM 320 immer nicht so recht, weil offenbar der Röhrenfernseher das Funksignal störte. Also behalf ich mir mehr schlecht als recht mit einer PowerLan-Brücke -also Netzwerk über die Stromleitung -  zwischen Arbeitszimmer (wo die NAS steht) und Wohnzimmer (wo der Fernseher steht). Das klappte oft ganz prima, oft aber auch nicht. Als mein Röhrenfernseher eines Tages einen unerwarteten Tod starb, wurde er durch einen 32-Zoll-HD-LCD-Fernseher ersetzt - und der brachte weitere Schwächen des DLink-Gerätes zum Vorschein: Der Fernseher ist HD-fähig, der DLink war es nicht, was sich in einem grobschlächtigen Screen Design äußerte. Dann brach irgendwann die PowerLan-Verbindung zusammen, und ich startete den Versuch, den Dlink doch via WLAN ans Netz zu bringen. Leider erfolglos, er beherrscht die aktuelle WPA2-PSK-Verschlüsselung nicht, die ich zuhause verwende. Genug ist genug...
Also wurde der WDTV gekauft. Der Anschluss geht simpel: Steckernetzteil an den Strom, HDMI-Kabel an den Fernseher, fertig. Danach ist der Setup dran. Nicht ganz einfach, denn Passwörter, WiFi-Netznamen und so weiter müssen auf einer wabbeligen Gummitasten-Fernbedienung eingegeben werden. Oder man liest die Bedienungsanleitung erst ganz durch und erfährt, dass man an die USB-Schnittstelle in der gerätefront auch einfach eine PC-Tastatur anschließen kann. König ist, wer eine Tastatur mit US-Layout hat, denn der WDTV hat zwar eine deutsche Benutzerführung, aber keinen deutschen Tastaturtreiber.
Dennoch: Wer sich ein wenig mit Netzwerktechnik auskennt (wirklich, ein wenig reicht völlig), hat die Kiste in zehn Minuten am Start. Danach weiß das Gerät durch ein angenehmes On-Screen-Menü zu gefallen, durch das man mit wenigen Befehlen auf der Fernbedienung durchzappen kann. Und schnell merkt man, dass die Kiste erheblich mehr kann als Musik spielen:
  • MPEG4- und AVI-Videos lassen sich in HD-Qualität abspielen
  • Fotos auf dem Mediaserver lassen sich auf dem Fernseher betrachten, auch als Diashow
  • Dazu kommt eine Reihe von vorinstallierten Softwarepaketen, mit denen man zum Beispiel Youtube-Videos betrachten, sich auf Maxdome ein Video ausleihen oder seinen Facebook-Status auffrischen kann. 
  • Es gibt ein paar Spiele
  • Es gibt Webradio-Stationen ohne Ende
  • Man kann Musikdienste wie Spotify nutzen (allerdings nur mit kostenpflichtigem Premium-Account)
und noch einiges mehr.
Inzwischen hat das Gerät ein paar Monate auf dem Buckel - und Licht und Schatten liegen dicht beieinander.
Erst einmal zum Licht:
Die Funktion, wegen der ich den WDTV eigentlich gekauft hatte, beherrscht er einwandfrei. Er kann mit meinem Mediaserver (Software von Twonkymedia) kommunizieren, spielt die Musik einwandfrei ab und klingt dabei spürbar besser als der DLink. Das ist eigentlich erstaunlich, denn der DLink war über ein Cinch-Kabel direkt an den Audio-Eingang des Verstärkers angeschlossen. Der WDTV hingegen liefert ein digitales HDMI-Signal an den Fernseher, und der ist dann über ein Cinch-Kabel an der Stereoanlage angeschlossen. Nachteil dieser Anschlussmethode: Der WDTV braucht einen laufenden Fernseher. Ohne gibt es weder Bild noch Ton. Dazu später mehr.
Der WDTV spielt auch sehr gekonnt Videos ab, allerdings kann es bei HD-Videos, die über WLAN gestreamt werden, zu Aussetzern kommmen. Wer in der Sache sicher gehen will, schließt eine USB-Festplatte an den WDTV an, dann klappt es garantiert ohne Aussetzer.
Videos leihen und sofort ansehen. Online-Videotheken wie Maxdome funktionieren auf dem HDTV. Man muss sich nur vor HD-Videos fernhalten, da kann er ruckeln. Aber die normale Qualität ist ebenfalls einwandfrei.
Zugriff auf alle meine Digitalfotos. Früher habe ich meine Dias an die Wand geworfen, jetzt kann ich sie auf dem HD-Fernseher ansehen. Nicht schlecht!
Ganz groß: Youtube auf dem Fernseher! Die Original-Nasa-Videos zur Curiosity-Mission, werbefrei und in HD - und so unendlich viel mehr. Wer ein Android-Tablet hat, kann sich sogar YouTube Remote installieren: Das Tablet wird mit dem WDTV verknüpft, man kann bequem auf dem Tablet Videos aussuchen, und nach einem kurzen Tipp werden sie auf dem Fernseher abgespielt.
Kurz: Wenn man eine Vorstellung von der Konvergenz zwischen TV und Internet bekommen will - der WDTV legt da schon sehr eindrucksvoll vor.
Und jetzt zum Schatten:
Der DLink Mediastreamer beherrschte das UPNP-Protokoll. Und dafür gibt es eine App. Das bedeutet: Man konnte den Dlink über ein Smartphone fernsteuern: Musik auswählen, Playlisten erstellen, Start, Stopp. Und dazu brauchte man keinen Fernseher, deshalb hatte ich den Dlink audio-seitig auch direkt an die Stereoanlage angeschlossen.
Der WDTV ist nicht wirklich UPNP-kompatibel. Manchmal funktioniert es, meistens nicht. Vielleicht kommt noch einmal ein Update, wer weiß. Aber viel schlimmer: Bei meinem WDTV funktioniert der (vorhandene) analoge Ausgang nicht. Statt Musik kommt nur ein schrilles Brummen in der Stereoanlage an. Deshalb hängt der WDTV an einem digitalen HDMI-Eingang am Fernseher. Und deshalb kann ich nur dann Musik hören, wenn der Fernseher läuft. Das ist selbst beim geringen Stromverbrauch eines LCD-Fernsehers eigentlich nicht akzeptabel. Dazu kommt, dass man natürlich nicht stunden- und tagelang auf das (ästhetisch steigerungsfähige) Desugn des Musikplayer-Menüs blicken möchte. Western Digital hat einen Screensaver vorgesehen: Ein ruckhaft und nervös auf dem Schirm hin- und herspringendes, hellblau leuchtendes WD-Logo. Wer das gesehen hat, der weiß, warum die wertvollste Firma der Welt Apple heißt und nicht Western Digital. Glücklicherweise habe ich zumindest für dieses Problem eine Lösung gefunden: Man kann statt des WD-Logos auch eine Diashow aus eigenen Bildern in einem Verzeichnis auf einer angeschlossenen USB-Festplatte als Screensaver verwenden. Also habe ich zwei schwarze Bilder angefertigt, diese auf einen USB-Stick gespielt, und jetzt tut der Bildschirm nach fünf Minuten ohne Eingabe, das, was er soll: Er wird dunkel.
Der WDTV ist ein amerikanisches Produkt. Die deutsche Benutzerführung ist bisweilen lausig, im Softwareangebot dominieren amerikanische Anbieter, die dann etwa Videos über College-Sport bringen. Erst langsam ändert sich das etwas: Vor ein paar Wochen erweiterte Western Digital das Softwareangebot um einige deutsche Angebote, zum Beispiel Bild TV (okay...), Maxdome und Acetrax, dort kann man sich sogar deutschsprachige Videos ausleihen. Aber ARD- oder ZDF-Mediathek? Fehlanzeige.
Der WDTV ist nicht offen. Es gibt im Internet Anleitungen, wie man die Kiste hacken kann, aber eigentlich ist es nicht vorgesehen, und es ist auch nichts für Leute, die sich damit nicht auskennen. Es ist auch nicht vorgesehen, selbst Software zu installieren. Dabei gäbe es eine Menge Dinge, die eine aktive Software-Community vielleicht besser machen könnte als das, was Western Digital vorgibt. So kann man den WDTV prinzipiell über das LAN steuern, aber das WD-Webinterface ist ein schlechter Witz.Inzwischen bietet WD auch eine Smartphone-App an, die aber auf Android auch nicht wirklich mehr kann als die Fernbedienung. Da ist noch viel Luft nach oben.
Der WDTV ist schlecht in den Fernseher integriert. Zum Betrieb benötigt man eine zusätzliche Fernbedienung. Der Fernseher (also zumindest mein Grundig) bemerkt auch nicht, wenn der WDTV eingeschaltet wurde und schaltet dann auf den entsprechenden Signaleingang um. Bei meinem alten DVD-Player, der über Scart am Fernseher hängt, ist zum Beispiel das kein Problem.
Bin ich mit dem WDTV zufrieden? 
Eigentlich schon. Er hat nicht viel Geld gekostet und macht das, was er soll, recht gut. Gerade höre ich k.d. lang, klingt gut.
Würde ich ihn anderen Leuten zum Kauf empfehlen?
Ich weiß nicht. Wer etwa Apple-Geräte zuhause hat, sollte sich vielleicht ein Apple TV holen, das kostet 100 Euo und ist nahtlos in die iTunes-Welt integriert. Ich werde mal versuchen, einen auf Android basierenden Mediastreamer auszuprobieren. Der könnte einige Probleme lösen, die der WDTV heute noch hat, zum Beispiel die unzureichende Versorgung mit interessanten Anwendungen. Generell ist das Konzept einer solchen Multimediabox bestechend: Videos ausleihen, Musik-Streamingdienste nutzen, auf Wikipedia Sachen nachsehen, auf die man im Fernsehen gerade gestoßen ist - die Möglichkeiten sind toll. Man stelle sich nur mal ein Angebot wie tagesschau.de vor, komfortabel auf einem TV-Bildschirm zum sofortigen Abruf.
Es muss nur noch jemand umsetzen - und dabei ganze Arbeit leisten.    


  



Freitag, 24. August 2012

Service á la Mehdorn

Heute morgen um 9:15 Uhr hätte ich mit Air Berlin von Berlin-Tegel nach München fliegen sollen. Hätte ich, ging aber nicht, denn der Flug wurde annulliert. Erfahren habe ich davon, als ich eine Stunde vor Abflug auf dem Flughafen durch die Sicherheitskotrolle wollte. Ein ausgefallener Flug, das kann passieren.
Was nicht passieren sollte, das ist das: Danach stand ich rund eine Dreiviertelstunde in einer nicht enden wollenden Schlange am Air Berlin Ticket Counter und wartete darauf, dass etwas geschah. Es wäre vielleicht schneller gegangen, wenn nicht nur drei Ground-Stewardessen sich darum bemüht hätten, die rund 100 gestrandeten Passagiere irgendwie vom Hof zu kriegen. Als ich schließlich dran war, war die Lufhansa-Maschine um 9:35 Uhr bereits weg. Die Dame am Counter musste endlose Codes eingeben, um mein Ticket umzubuchen - die Online-Programmierung der Marssonde Curiosity kann kaum anspruchsvoller sein. Dabei habe ich übrigens auch erfahren, weshalb der Flug heute morgen ausgefallen ist: In Palma de Mallorca ist ein Flugzeug mit Defekt ausgefallen - und diese Sache hat sich dann bis Tegel fortgepflanzt. Das hätte man den Wartenden auch einmal zeitnah mitteilen können, zusammen mit einem Kaffee oder einem Mineralwasser.
Immerhin, nach zähem Kampf mit der Konsole hat mich die Frau auf Lufthansa umgebucht. Mein Flieger geht um 11:20 Uhr. Kommentar eines Facebook-Kontaktes zu der Sache: "Was fliegst Du auch mit einer fast bankrotten Airline?"