Warum keine Zulassung für Autobahnen? Schnell genug wäre die Zero S, das Datenblatt nennt eine Spitzengeschwindigkeit von 105 km/h, das liegt in etwa auf dem Niveau ungedrosselter 125er Leichtkrafträder. Das Datenblatt nennt auch die Reichweite, derzeit noch die Achillesferse der Elektromobilität: Bis zu 80 Kilometer kann die Zero S mit einer Akkuladung fahren – der Haken sind die Worte „Bis zu“. Würde man tatsächlich mit der Zero S mit Tempo 100 über die Autobahn jagen, wäre der Akku wohl bereits nach der Hälfte der Fahrstrecke platt – und 40 Kilometer können zu wenig sein, um von Ausfahrt zu Ausfahrt zu kommen.
Also war es gar keine dumme Idee, dass Zero als Ort für eine Pressevorführung der 2010er Modelle nicht die A8 wählte, sondern eine Kartbahn im Industriegebiet Garching-Hochbrück. Am Start ein halbes Dutzend Zero-Motorbikes (es gibt insgesamt vier Versionen), eine sehr nette Crew von europäischen Zero-Mitarbeitern, das deutsche Presseteam und Mr. Zero persönlich: Neal Saiki, ehemaliger NASA-Ingenieur und Mitbegründer von Zero Motorcycles. Spätestens seit seinem Auftritt in der TV-Reihe „Jay Leno’s Garage“ (Jay hat selbst eine Zero S) ist Saiki ein Star in der Elektrovehikelzunft.
Seiki ist ganz locker, verbindlich und freundlich. Zum Spaß haben sind seine Motorräder gedacht, sagt er. Man könne damit auch gut zur Arbeit fahren, die Nachfrage sei gut. Ob ich mal fahren wolle. Klar will ich, und schlüpfe in mein volles Ornat. Vor dem Testritt steht allerdings Papierkram. Der PR-Mann legt mir eine Haftungsausschlusserklärung vor, die auf Deutsch geschrieben und so krank ist, dass ich mich fast tot lache. Später beschließe ich, ihm eins von den leeren Formularen zu mopsen, um den absurden Text zu veröffentlichen. Erst zuhause merke ich, dass ich die englische Originalversion erwischt habe, aber der Text ist ebenfalls gülden:
Zero MOTORCYCLES
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If you wish to trial a Zero Motorcycle we need to be sure that you understand the risks involved in operating a motorcycle and that you are fully aware of these risks, that you consent to them and that vou are willing to assume the risks yourself and will not hold liable Zero Motorcycles, Inc, [ ] or any associated companies or affiliated companies thereof and each of their officers and employees (the “Released Parties”). save that nothing in the foregoing shall exclude the liability of the Released Parties in relation to any loss arising from death, personal injury or damage to property resulting from their negligence or a defect in the Zero Motorcycle.
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- I have carefully read the safety guidelines and the terms of this Consent Form, and I am aware of and fully understand the dangers and personal risks involved (including the possibility of personal injury or death) in riding a Zero Motorcycle.
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- If I decide to undertake a trial ride on a Zero Motorcycle I do so entirely at my own risk and I agree that, as I am fully aware of the risks and assume them freely and knowingly. I will not hold the Released Parties liable for any claim in relation to any harm, loss or damage caused to me as a result of my own reckless or negligent operation of the Zero Motorcycle.
- I acknowledge that I may decide at any time to discontinue any trial ride I may undertake at any point without detriment to me.
- I confirm that I am the holder of a current valid motorcycle license and that I possess the knowledge, skill and experience to safely operate a motorcycle.
Genug der Vorrede, ab auf’s Bike. Der erste Eindruck der Zero S ist relativ unspektakulär: Ein zierliches, mit 123,8 kg nicht besonders schweres Motorrad im 125er Format, allerdings ist der Radstand mit 1443 mm relativ lang ausgefallen. Zum Vergleich: Eine Kreidler Supermoto 125 DD wiegt laut Werk 133 Kilogramm und hat einen Radstand von 1405 mm. Allerdings kostet die Kreidler (made in China) auch nur 2.200 Euro, für die Zero S sind 10.000 Euro fällig.
An den Bedienungselementen der Zero S fällt eigentlich nur auf, dass die meisten von ihnen fehlen: Die Maschine hat kein Schaltgetriebe, also fehlt der Ganghebel und der Kupplungsgriff. Einen Starterknopf gibt es auch nicht, man schaltet einfach per Zündschlüssel (auf dem „Tank“) den Strom an. Daraufhin vollführen die Anzeigen in dem von irgendeinem Leichtkraftrad übernommenen Kombiinstrument einen wilden Tanz, die Elektronik initialisiert sich. Nach wenigen Sekunden leuchtet eine grüne Kontrolleichte auf, es kann losgehen.
Was jetzt folgt, ist für einen Motorradfahrer sehr ungewohnt. Wenn man den „Gasgriff“ dreht, dann setzt sich die Maschine völlig ansatz- und lautlos in Bewegung. Die nicht vorhandene Rückkopplung durch das nicht vorhandene anschwellende Motorgeräusch beim Start verleiht diesem Vorgang etwas Unwirkliches. Dazu kommt, dass ich weder schalten noch kuppeln muss. Ich fahre erst einmal im Schrittempo und mit Fußunterstützung aus dem Fahrerlager auf die Bahn. Dann gebe ich Stoff, und die Fuhre zieht los. Elektromotoren entwickeln – die Protagonisten der kommenden Elektromobilität werden nicht müde darauf zu verweisen - ihr maximales Drehmoment bereits ab Drehzahl null und sind in diesem Punkt Verbrennungsmotoren weit überlegen. Auf der anderen Seite wollen wir die Kirche mal im Dorf lassen: Ich wiege mehr als das ganze Motorrad und fahre normalerweise eine Maschine, die 78 PS leistet und nicht nur ein paar Kilowatt. Gemessen an meiner Yamaha legt die Zero S ein durchaus überschaubares Temperament an den Tag. Natürlich täuschen das nicht vorhandene Motorengebrüll und die ebenfalls nicht vorhandenen Schaltrucke über die tatsächliche Beschleunigung auch etwas hinweg. Ich denke mal, im normalen Stadtverkehr kann man mit der Zero S an der Ampel den meisten Autos wegfahren, wenn die es nicht auf ein Rennen anlegen.
So angenehm der leise E-Motor auch ist, die Ruhe hat einen Nachteil: Es treten unschöne mechanische Geräusche des Fahrwerks in den Vordergrund, die andere Motorräder vermutlich ebenso haben, die dort nur vom Auspuff übertönt werden. Davon abgesehen bleibt der Eindruck, dass ein solches Moped für mich eigentlich zu klein ist: Spiegel zu kurz, Sitzposition unglücklich, Temperament überschaubar. Ende des ersten Turns.
Dann bietet man mir eine Runde auf der Zero MX an. Das ist eigentlich eine reine Motocross-Maschine, aber die MX, die das Team mitgebracht hat, ist anders: Sie hat Supermoto-Straßenreifen, einen besonders starken Motor und einen kompakten Akku. Eine Lichtanlage fehlt ebenso wie ein Ständer oder Instrumente. Dafür hat die Elektronikbox zwei Kippschalter, an denen man das elektronische Motormanagement für wenig und viel Bums einstellen kann. Außerdem ist die MX leicht, sie wiegt unter 80 Kilo. Ich leider nicht.
Man schickt mich erst einmal mit dem langsamen Setting auf die Bahn. Die MX hat ein Handling wie ein Mountainbike, beide Bremsen werden über Handhebel bedient. Ich fühle mich auf dem zierlichen Gerät sofort wohl, auch wenn mir der Anzug nicht gerade die Augäpfel nach hinten dreht. Da geht mehr. Also anhalten, Zündung auf off, Kippschalter auf „High Speed“ und „High Torque“, Zündung auf on, drei Sekunden warten, grünes Licht, losfahren.
Geilomat! Das Ding zieht los wie vom Affen getreten. Ich traue mich gar nicht, auf der engen Bahn den Hahn ganz aufzuziehen. Ein testfahrender Journalist hat sich heute früher am Tag mit einer Zero S aufs Maul gelegt, angeblich ein Kollege von einem Motorradtitel. Ich will nicht der zweite sein. Dennoch: Die MX macht an. Geht um die Kurven, zieht heftig los, auch die Bremsen sind etwas besser als bei der S. Wäre ich leichter und mutiger, Wheelies wären kein Problem
Bei dem Motor, diesem Fahrstil und der kleinen Batterie ist der Saft vermutlich schon nach 25 Kilometern alle, mutmaße ich nach der Fahrt. „Aber die 25 Kilometer hatte man dann richtig Spaß“ antwortet einer der Zero-Crew. Da ist was dran.
Danach wage ich noch einmal einen Turn auf der Zero S. Mit der Gewöhnung an die Strecke wächst auch der Mut, und beherztes Ziehen am Kabel bringt auch diese Fuhre ganz wacker voran. Aber mein Favorit bleibt die MX. Das ist ein kleines, geiles Spaßgerät.
Ich verabschiede mich von Mr. Saiki und sage ihm: „Doppelte Reichweite und halber Preis, und ich würde sie kaufen.“ Er lacht und antwortet: „Doppelte Reichweite ist drin, aber eher bei doppeltem Preis.“ Netter Kerl, dieser Neil Saiki. Und er baut lustige Motorräder.
Sehr geehrter Herr Kemper,
AntwortenLöschenDanke für den schönen Bericht. Nur ein kleiner Hinweis sei erlaubt. Neil Saiki schreibt sich mit ai, nicht mit ei.
Name falsch geschrieben? Ooops, das geht gar nicht. Vielen Dank für den Hinweis, ich hab's korrigiert.
AntwortenLöschenDas Foto vom schwarzen Presssack ist wirklich Legende ... ich hab's mir runtergeladen :))
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