Beim Motorradfahren höre ich mein Motorrad überhaupt nicht, zumindest nicht ab Tempo 100. Der Grund ist der Fahrtwind. Er bollert so laut um meinen Helm, dass er so ziemlich alle anderen Geräusche übertönt. Arbeitsmedizinisch ist Motorradfahren auf der Autobahn eigentlich bedenklich laut, 90 Dezibel erreicht der Lärm im Helm leicht, gern auch mehr. Viele Motorradfahrer machen sich deshalb - vor allem auf Langstreckenfahrten - Gedanken um ihre Ohren. Ohrstöpsel sind weit verbreitet, und wer in dieser Hinsicht perfektionistisch veranlagt ist, der trägt 120 bis 150 Euro zu einem Hörgeräteakustiker und lässt sich Silikonstöpsel nach Maß basteln.
Ich bin das Thema bislang eine Nummer tiefer angegangen. Mit normalen Ohstöpseln war ich nicht zufrieden, sie geben so ein taubes Gefühl auf den Ohren, und manchmal gibt es sogar Schmerzen beim Druckausgleich. Außerdem habe ich bei längeren Touren eigentlich immer mein Navi an. Deshalb trage ich In-Ear-Kopfhörer. Die Besseren kommen heute mit austauschbaren Silikon-Kissen, um sie an unterschiedlich starke Gehörgänge anzupassen. Die Dinger schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie dämpfen den Geräuschpegel im Ohr, und sie sorgen dafür, dass die Dame vom Navi mein Gehör findet.
Diese Ohrhörer da oben im Bild versprechen, den Job noch besser zu machen. Das "NC" in der Typenbezeichnung des Sony MDR NC 13 steht für "Noise Cancellation". In der Leitung des Kopfhörers befindet sich ein kleiner Kasten, etwa halb so groß wie eine Streichholzschachtel. Er enthält einen Soundprozessor, der Schallwellen auslöscht. Die Lautsprechersysteme des MDR NC 13 sind größer als die normaler In-Ear-Kopfhörer, denn in ihnen ist jeweils ein Mikrofon eingebaut. Das Mikro nimmt Umgebungsgeräusche auf, gibt sie an den Signalprozessor weiter, und der löscht sie aus, indem er gegenphasige Schallwellen erzeugt. Das System der aktiven Lärmauslöschung ist schon relativ alt, ich habe bereits vor 15 Jahren einen Kopfhörer gehabt, der das konnte. Allerdings war das ein Riesending, während die Stöpsel des MDR NC 13 unter meinen Helm passen.
Erster Versuch
Die Anwendung ist sehr simpel, einzustellen gibt es nichts. In den Kasten mit dem Signalprozessor passt eine AAA-Batteriezelle (Lebensdauer bis zu 100 Stunden), außerdem ist ein Ein-Ausschalter dran, mehr nicht. Wenn man den Prozessor ausgeschaltet lässt, funktionieren die Hightech-Hörer wie ganz normale Kopfhörer der 25-Euro-Klasse. Schaltet man ihn ein, merkt man zunächst: Nichts. In der Bedienungsanleitung ist von einem leichten Rauschen die Rede, an dem man merken könne, dass der Prozessor arbeitet, aber auch das nehme ich nicht wahr. Bei meinem alten Anti-Noise-Kopfhörer, den ich 1994 in Amerika kaufte, bekam man nach dem Einschalten einen merkwürdigen Druck auf den Ohren, auch das spüre ich beim Sony nicht. Ist das Ding kaputt?
Musik auf dem Kraftrad
Also ein erster Test: Auf dem Rückweg vom Laden tue ich etwas, was ich sonst eigentlich nie mache: ich höre Musik auf dem Motorrad. Ich stöpsle die Sony-Hörer in mein Handy, schalte Musik ein, setze den Helm auf und fahre los. Es ist schwer zu sagen, welchen Anteil an der Dämpfung des Umgebungsgeräuschs die Stöpsel haben und welchen die Noise-Cancellation-Technik. Fakt ist: Es geht erstaunlich gut. Rund um mich herum ist alles eine ganze Portion leiser als sonst. Die Musik klingt angenehm im Ohr, keineswegs ohrenbetäubend. Gleichzeitig habe ich nicht das Gefühl, von der Außenwelt abgeschnitten zu sein. An Ampeln höre ich mein Motorrad und auch die Autos um mich herum.
Der Soundprozessor steckt während der Fahrt in meiner Jackentasche, da ist es schlecht, durch An- und Ausschalten herauszufinden, wie die Elektronik wirkt. Also setze ich mich zuhause an den Computer und schaue mir ein Motorradvideo an. Ich drehe die Lautsprecherboxen so laut, dass sich die Katze erschreckt. Jetzt ist der Effekt deutlich zu hören. Mit eingeschaltetem Soundprozessor ist der Motorradklang gefühlt ein Drittel leiser. Das ist nicht die Welt, aber spürbar.
In der Praxis: Es klappt tatsächlich
Also teste ich die Geschichte auf einer Motorradtour im Westen von München. Es fällt bereits bei Stadttempo auf, dass die Windgeräusche deutlich gedämmt sind. Man muss das Navi nicht besonders laut drehen, um es einwandfrei zu verstehen. So etwa ab Tempo 100 mischt sich elektronisches Gespratzel in die Geräuschkulisse. Ich vermute, dass die Lautsprecher jetzt ziemlich ackern müssen, um gegen die enorme Geräuschkulisse von außen anzustinken - und dass sie damit an ihre Grenzen kommen. Auf der Autobahn fahre ich kurzfristig 140. Es wird laut - ein Motorrad ist schließlich keine S-Klasse. Aber: Der Lärm ist nicht mehr ohrenbetäubend, es ist gut auszuhalten. Der Tragekomfort der Hörer ist - für mich - akzeptabel. Ob ich das auch noch sage, wenn ich sie ein paar Tage ununterbrochen getragen habe, werde ich im Juli auf einer einwöchigen Tour ausprobieren.
Fazit
49 Euro verlangt Saturn für die Ohrhörer, im Netz gibt es sie zum Teil deutlich billiger. Damit liegt der Aufpreis fürdie Noise-Cancellaton in der Größernordnung von 25 Euro, und das ist die technik allemal wert. Man sollte allerdings idealerweise ausprobieren, ob die relativ großen Ohrstöpsel auch unter den Helm passen, bevor man sie kauft. Leider ist kein wiederaufladbarer Akku verbaut, wie bei meinem Bluetooth-Headset-Empfänger. Andererseits müsste man dann noch ein Ladegerät mehr auf Tour mitnehmen.
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