Montag, 14. Januar 2013

Kampagnenjournalismus

"Focus Online" nennt sie nur noch die "Zwangsgebühr" und stachelt seine Leser zu immer neuen Hasstiraden gegen eine Säule der Demokratie an: Den offentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) und die Gebührenfinanzierung.

Damit befindet sich der Onlinedienst aus dem Hause Burda in bester Gesellschaft: Auch "Bild" lässt nichts unversucht, die Rundfunkgebührenreform als asozial und ungerecht darzustellen.

Hinter diesem Kampagnenjournalismus steckt Methode. Es geht gar nicht um die längst überfällige Umstellung der Gebührenfinanzierung von einer Geräte- auf eine Haushaltsbasis, es geht um die Gebührenfinanzierung an sich. Sie erlaubt es nämlich ARD und ZDF, ein qualitativ unerreicht gutes Programm zu machen, ohne sich den Gesetzen des Boulevard zu unterwerfen. Und das stinkt den privaten Medienunternehmern in diesem Land, seitdem es den ÖRR gibt.

Mich erstaunt in der ganzen Debatte, wie schwach das Wissen um die historischen Gründe für die Einführung des ÖRR-Systems ausgeprägt sind. Die Schöpfer unseres Grundgesetzes hatten vor Augen, welch unheilvolle Wirkung die Kombination aus einem politisch einseitigen Mediengiganten wie Alfred Hugenberg und der staatlichen Propagandakontrolle über den Rundfunksektor entfaltet hat. Deshalb beschlossen sie, dass der Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland föderal organisiert und staatsfern zu sein hat. Staatsfern, das bedeutet auch: Nicht staatlich finanziert, deshalb dürfen ARD und ZDF nicht aus Steuermitteln finanziert werden, sondern müssen eine eigene Gebühr erheben.

Seitdem es diese Gebühr gibt, wollen sich immer wieder Schlauberger darum drücken mit der Begründung. "Wieso, ich gucke doch nur Private!". Doch die Schöpfer des Grundgesetzes haben den ÖRR als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe definiert, die nicht nur von denen bezahlt wird, denen der ÖRR etwas wert ist, sondern von allen. Es ist wie mit U-Bahnen, öffentlichen Schwimmbädern und Stadtbüchereien: Man muss auch für ihren Betrieb und Ausbau zahlen, selbst wenn man sie nicht nutzt. Und das ist auch gut so. Müssten nämlich U-Bahnen sich aus ihren eigenen Einnahmen decken, dann gäbe es weniger davon - und das würden auch die Nicht-U-Bahnfahrer merken, es wären dann nämlich mehr Menschen auf der Straße unterwegs.

Es gibt auch in manchen Ländern, in denen es keine Bestandsgarantie für öffentlichen Rundfunk gibt, nichtkommerzielles Radio und Fernsehen. Doch dort hat es keine Chance, im Konzert der kommerziellen Stationen Gehör zu finden, denn guter Journalismus kostet Geld, viel Geld. Anders in Großbritannien (BBC) und in Deutschland (ARD/ZDF): Hier ist der ÖRR so ausgestattet, dass er eine Programmgüte abliefern kann, die den ÖRR im Relevant Set der Zuschauer verankern, denn der beste Informationsrundfunk ist nichts wert, wenn ihn keiner sieht.

Für den privaten Rundfunk ist der ÖRR eine lästige Konkurrenz, deshalb agitiert er unablässig gegen den ÖRR - unterstützt von Politikern vor allem als dem konservativen Lager. Das verwundert nicht, denn einen ernst zu nehmenden investigativen TV-Journalismus haben die Privaten in Deutschland noch nie hinbekommen, schon ein Polit-Magazin wie "Monitor" sucht bei Pro7 & Co. seine Entsprechung vergeblich.

Es mag sein, dass es Leute stört, dass sie Volksmusik im Ersten vorgesetzt bekommen, aber Arte, 3sat und ZDF Neo einmal einberechnet, gibt es zu jeder Zeit genügend Alternativen. Dazu die Möglichkeit, auf dem PC, dem Smartphone oder dem Tablet diverse Mediatheken zu nutzen. So was ließe sich durch Werbeeinnahmen allein schwerlich finanzieren, deshalb würde es das auch nicht geben, selbst wenn der ÖRR einfach abgeschafft würde. Und ehrlich: Wann hat das Privatfernsehen in Deutschland das letzte Mal einen bedeutenden Politikskandal aufgedeckt?  

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