Dienstag, 8. September 2009

Kreisen um sich selbst


Jetzt ist es raus. Das Internet-Manifest, in dem 15 überwiegend selbst ernannte Alpha-Blogger dem Rest der Welt erklären, wie Journalismus in Zukunft funktioniert. Darunter natürlich die üblichen Verdächtigen: Lobo, Sixtus, Niggemeier. Gibt's jetzt auch auf englisch. Ohmygod! Komisch, das Don Alphonso nicht dabei war, das wär' doch seine Kragenweite gewesen.

Den meisten Journalisten ist eine gewisse Eitelkeit eigen, ich kenn' mich da aus, schließlich bin ich selbst einer. Aber die Art und Weise, wie sich die "Deutsche Internet-Mafia" (Zitat aus einem Kommentar zum "Internet-Manifest") da selbst wichtig nimmt, das hat schon eine eigene Klasse. Wer sich selbst - so wie zum Beispiel ich - den ganzen Tag mit dem Internet beschäftigt, der verliert leicht den Blick dafür, dass es a) noch eine andere Realität gibt als die des Internet und dass b) die News-Vermittlung im Internet beileibe noch nicht das Niveau erreicht hat, dass sie wirklich fundiert irgendeines der klassischen Medien ersetzen könnte. Man sieht es einfach sehr deutlich daran, dass das Agenda-Setting der wirklich wichtigen Themen nach wie vor von klassischen Medien betrieben wird, also von Print-Redaktionen und (seltener) von TV-Stationen. Eine schnelle Google-Suche fördert oft eine Flut von bis auf den letzten Buchstaben gleichen Textversionen einer und derselben Meldung zutage. Also, echter Journalismus geht anders.

Der wortgewaltige Ex-RTL-Chef Helmuth Thoma hat mal den unsterblichen Satz gesagt: "Das einzige, womit der Fernsehzuschauer interagieren will, das ist sein Kühlschrank." Diese Weisheit gilt nach wie vor - auch für die überragende Mehrheit der Internet-Nutzer. Die meisten sind einfach zu schüchtern, zu bequem und zu ängstlich, um sich selbst im Internet zu exponieren. Sie sind die klassischen Rezipienten von Nachrichten, nicht aber die Sender. Das ist auch gut so, schließlich haben die meisten Menschen Besseres zu tun, als den ganzen Tag über Messages an die Crowd zu brüten. Ihr Leben leben zum Beispiel.

Wir leben in Zeiten des Hypes, und mir macht dieser Hype ein wenig Angst, weil ich mich sehr gut daran erinnern kann, wie die DotCom-Blase geplatzt ist, damals vor knapp acht Jahren. Heute sind wir wieder so weit. Wir behandeln den Microblogging-Dienst Twitter wie eine Naturgewalt, nur weil das Teil Zuwachsraten hat wie im Fieber. Vielleicht habe ich ja nicht die richtigen Follower (rund 200 sind es, die jeden meiner Tweets auf ihren Schirm bekommen), aber in den Tweets, die ich so verfolge, geht es in 30 Prozent aller Fälle um Twitter und neue Twitter-Tools, und mindestens weitere 30 Prozent dienen der eigenen Profilierung in der Community: Schaut mal, was ich Tolles gemacht habe. Als ich neulich meine Follower mal um ihre Meinung über eine Zusammenarbeit zwischen Yahoo und Microsoft gebeten habe, kam exakt null Reaktion, nada. Interaktion? Fehlanzeige.

Also, die Herren SelbstdarstellerAlpha-Blogger haben jetzt erklärt, warum der Journalismus in Zukunft ganz anders laufen muss. Als Kontrapunkt setze ich mal den sehr intelligenten Aufsatz meines Freundes und Kollegen Jens Arne Männig: er erklärt, warum er kaum noch in Social Communities unterwegs ist.

   

3 Kommentare:

  1. Ich gebe Dir recht, daß einigen, die ein neues Zeitalter heraufbeschwören, ein wenig der Blick über den Tellerrand fehlt. Ich werde diesmal zwar die Piraten wählen, aber in dem Bewußtsein, daß sie nur in ihrer Nische Bescheid wissen und in vielen anderen, gesellschaftlich wichtigen Themengebieten erschreckend ahnungslos sind.

    Tut mir ja leid, daß ich zu Microsoft/Yahoo keinen Kommentar abgegeben habe, aber mehr als "Man wird sehen." hätte ich dazu nicht beitragen können, und das als jemand, der in der Enterprise Search Group von Microsoft arbeitet. Für uns konkret hat sich bislang nichts geändert, und inwieweit wir zusammengelegt werden, ist bislang den meisten unklar. Ich sehe es positiv, weil ein Gegengewicht zu Google geschaffen wird, das sowohl Microsoft als auch Yahoo alleine nicht hätten, aber auch diese Aussage wird den meisten nicht mehr als "Ach nee?" abringen.

    Twitter ist kein Nachrichtenorgan, sondern für mich eine Plattform, auf der ich mitbekomme, was andere bewegt -- darunter vieles, das mich auch interessiert, und das ich anderweitig nicht erfahren hätte. Und es ist ein Platz für eine Kunstform: die des Bonmots oder der 140-Zeichen-Sprachkunst. Man muß sich halt die Perlen herauspicken. Zwischen 73 Meldungen, daß Simyo stinkt, ragt ein Verweis auf einen guten Kommentar heraus.

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  2. was heißt da "null Reaktion"? Ich habe immerhin geantwortet -- so gut das in <140 Zeichen halt geht ;-)

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  3. Ich finde das Manifest auch eher schwülstig und grösstenteils banal, allerdings patzt der von den beteiligten so hochgehaltene Qualitätsjournalismus mittlerweile auffallend oft. Ein bisschen Reiten auf Google News zeigt recht schnell, in welchem Mass hier Agenturmeldungen wiederverwertet werden, Recherche wird oft eklatant vernachlässigt, und die grossen Nachrichtensender versagen bei Live-Ereignissen peinlichst...

    Auch wenn Blogs und ähnliche nur schwerlich den gesamten Nachrichtenbedarf abdecken können - die alten Medien scheinen es auch nicht (mehr) fertigzubringen.

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