Freitag, 2. November 2012

Von Telefonen und Halloween

Links im Bild ist ein Gerät zu sehen, welchem die zweifelhafte Ehre zukommt, eine der schlimmsten Sprachstreitigkeiten in Deutschland in den letzten 30 Jahren losgetreten zu haben. Es handelt sich um ein tragbares Mobiltelefon für das C-Netz, welches ab Ende der 1980er Jahre vom niederländischen Hersteller Philipps als Philipps Porty verkauft wurde. Der Name Porty verwies auf eine einzigartige Eigenschaft dieses Gerätes, denn es war portabel, also tragbar. Die Einführung von Telefonen, die man einfach so herumtragen und überall benutzen konnte, war damals eine unerhörte technische Sensation. Mobil telefonieren konnte man schon vorher, Funktelefone gab es bereits in den 60er Jahren. Nur waren diese so groß und schwer, dass sie leicht einen halben Pkw-Kofferraum füllten. Portabel waren sie beim besten Willen nicht.

Was hat das alles mit einem Sprachstreit zu tun? Nun, das Philipps Porty war damals weder das erste noch das einzige Mobiltelefon, das man an einem Griff tragen konnte. AEG hatte zum Beispiel ein Gerät namens Telecar im Programm, welches für den Einbau in Autos konzipiert war und ähnliche Abmessungen besaß. Wer ein Telecar zum Tragen haben wollte, nahm das AEG Teleport. Doch "Porty" war einfach griffiger als "Teleport". Recht bald entwickelte sich die Verkaufsbezeichnung Porty zu einem generischen Begriff für ein Funktelefon in Kofferformat mit separatem Hörer und Tragegriff - genau wie heute "Tempo" für ein Papiertaschentuch, "Pritt" für einen Klebestift und "Uhu" für einen flüssigen Alleskleber - obwohl auch Uhu Klebestifte herstellt.

Viel Zeit, sich in das Sprachgedächnis einer Nation einzuprägen, hatte der Begriff "Porty" jedoch nicht, denn während Deutschland noch darüber stritt, wer so wichtig war, dass er ein paar tausend Mark für ein Telefon zu zahlen bereit war, schritt die Technik unaufhaltsam fort. Schon bald beherrschten Mobiltelefone den Markt, die keinen separaten Hörer mehr brauchten, sondern selbst der Hörer waren. Diese Technik faszinierte die massen - und überforderte die eine oder andere Marketing-Abteilung. So vermarktete die frisch gegründete Deutsche Telekom eins der ersten dieser neuen, kompakten Telefone unter dem Namen "Pocky". Die Assoziation ist klar: Der Hauptunterschied des Pocky zu einem Porty war seine Größe - man konnte es buchstäblich in die Tasche stecken. Nur klingt "Pocky" halt wie "Pocken", ein Krankheitsbild, das im deutschen Sprachraum eher schlecht beleumundet ist.

Also ist jemand auf den lautmalerischen Begriff "Handy" für ein Funktelefon gekommen, das so klein ist, dass man es problemlos in der Hand halten kann. Ein sehr guter Begriff, der in anderen Ländern seine Entsprechung sucht. So ist die im angloamerikanischen Sprachraum weit verbreitete Bezeichnung Cell-Phone nur ein Hinweis auf die Mobilfunktechnik, ähnlich wie das Schweizerische Natel, welches auf das Mobilfunknetz Natel-D Bezug nimmt. Immerhin, in Italien hat sich für das Handy die Bezeichnung "Telefonino" eingebürgert, also "Telefonchen". Dieser schön klingende Begriff hat allerdings fünf Silben, "Handy" hat nur zwei. Das passt gut zu den Sprachen: Man lasse einen Italiener und einen Deutschen ein und denselben Sachverhalt in ihrer Muttersprache vermitteln - und stellt fest, dass der Italiener sich schöner anhört, aber länger braucht. Deutsch und Englisch gehören eben zu den eher kurzen Sprachen - Italienisch und Griechisch zu den längeren.

Allerdings hat es "Handy" als Wort in Deutschland schwer. Auch 20 Jahre nach seinem Auftauchen im hiesigen Sprachraum nehmen es selbst ernannte Sprachpfleger als Beleg für die angloamerikanische Verschmutzung unserer Muttersprache - ohne wirklich begründen zu können, wo eigentlich genau ihr Problem ist. Zu diesen Leuten gehört Walter Krämer, Vorsitzender des Vereines für deutsche Sprache. Krämer ist offensichtlich grundsätzlich gegen ausländische Einflüsse auf unsere Kultur - und wird dafür in meinen Augen viel zu selten öffentlich abgewatscht. Deshalb kann ich den Artikel meines Kollegen Stefan Niggemeier nur zum Lesen empfehlen, auch wenn es dort nicht primär um Handys geht, sondern um Halloween.