Matthias Döpfner sagt bisweilen merkwürdige Dinge. Neulich sagte der Vorstands-vorsitzende der Axel Springer AG in einer US-Talkshow, dass sich jeder Verleger zweimal am Tag hinsetzen und Steve Jobs aus vollem Herzen dafür danken solle, "dass er die Verlagsbranche gerettet hat".
Gerettet hat der Chef von Apple - so sieht es zumindest Döpfner - dadurch, dass er der Welt das iPad brachte, einen etwa DIN A4 großen Tablettcomputer. Auf dem, so stellt sich das Döpfner zumindest vor, sollen die Menschen in Zukunft etwas tun, was sie bislang zum Beispiel auf dem Amazon Kindle nicht in nennenswertem Ausmaß tun: Zeitungen lesen. Deutsche Zeitungen. Die sie zuvor gegen Geld aus dem Internet heruntergeladen haben.
Damit will Döpfner einen großen Teil der Einnahmen wieder holen, die den Zeitungen in den letzten Jahren durch Auflagen- und Anzeigenschwund verloren gegangen sind. Nun muss vermutlich schon mehr passieren, als dass eine Computerfirma aus Kalifornien einen neuen Kleincomputer auf den Markt bringt, bevor ich anfange, für Geld die "Bild"-Zeitung auf einem Computer zu lesen, zumal das Core Asset einer jeden Bild-Zeitung, nämlich das barbusige Mädchen auf dem Titel, auf Apple Geräten nur mit weggeblitzten Brustwarzen erscheinen muss, aber dazu später.
Ich arbeite ja in einem Verlag, der nicht nur Neue Mediengesellschaft heißt, sondern sich seit 30 Jahren um Neue Medien kümmert. Deshalb ist es für Redakteure dieses Verlages sozusagen erste Bürgerpflicht, bei neuen Medien immer ganz vorn mit dabei zu sein. Dabei setzt der Verlag - das ist nicht nur üblich, sondern auch sinnvoll - durchaus auf die Eigeninitiative seiner Mitarbeiter. Mein erstes GPRS-Smartphone hatte ich 2001 in der Tasche, geliehen von einem Hersteller, um herauszufinden, was das so kann. Wir probieren viel aus in dem Haus - und machen dann nicht alles weiter, weil nicht alles einen Sinn ergibt.
Jetzt gab es aber ein Dilemma: Viele Medien-Auguren sind sich ganz sicher, dass das iPad von Apple unsere Medienwelt verändern wird. Also sollten wir von der Neuen Mediengesellschaft möglichst bald bescheid wissen, was es kann. Anders als andere Hersteller leiht Apple aber keine Testgeräte her, zumindest nicht an Hinz, Kunz und Fachjournalist mit einem Popularitätsgrad unterhalb von Michael Arrington. Deshalb beschritt mein schwäbisches Verlagshaus einen ungewöhnlichen Weg, es schickte einen Mitarbeiter los, um sechs iPads zu kaufen, die dann im Verlag an die Abteilungen verteilt wurden. Und auch beim Kauf sparte das Haus nicht am falschen Ende: Es wurden Geräte mit UMTS-Schnittstelle und 64 GB Speicherplatz bestellt.
Gestern habe ich eins davon mal mit nach Hause genommen.
Auspacken
Das iPad wird mit einem USB-Kabel und einem USB-Ladegerät geliefert. Sonst ist kein Zubehör dabei. Das Auspacken geht deshalb schnell. In "meinem" iPad steckte bereits eine UMTS-SIM-Karte (wobei iPad und das neueste iPhone spezielle, kleinere Karten benutzen. Sie sind aber technisch baugleich mit den alten SIMs), die Karte war aber noch nicht freigeschaltet - vornehmlich aus Kostengründen, hörte ich.
Einschalten
Das iPad hat - wie auch das iPhone - nur ganz wenige Tasten: Einen Wippschalter für die Lautstärke, einen Hauptschalter, einen Knopf am Rand des Displays und noch einen Schalter, um die anderen Schalter zu sperren. Ein Druck auf den Hauptschalter erweckt das Gerät zum Leben, dann muss es noch durch einen Wisch über das Display entsperrt werden. Ein iPad ist also - anders als zum Beispiel ein Laptop - spätestens drei Sekunden nach dem Einschalten einsatzbereit. Es muss nicht hochgefahren werden. Es wird an- und ausgeschaltet wie ein Taschenrechner. Fein.
Ansehen
Auf dem Startbildschirm sieht man Symbole für verschiedene Anwendungen, so genannte Apps. Es gibt eine App für den Kalender, eine für das Fotoalbum, eine für Youtube, eine für Musik, für E-Mails, für den Webbrowser, für die iPad-Version des "Spiegel" oder der "Welt". Von diesen Apps gibt es mittlerweile über 300.000, hörte ich, bei Auslieferung des Gerätes wird das wichtigste Dutzend mitgeliefert. Ein Fingertipp auf eins dieser Bildschirmsymbole startet die App, ein Druck auf die Mehrzwecktaste am Bildschirmrand führt wieder zurück zum Startbildschirm. Die Bedienung ist wirklich sehr einfach - das macht auch einen großen Teil des Charmes dieses Gerätes aus.
Anfassen
Wenn es erforderlich ist, blendet das iPad eine Tastatur ein, man tippt dann Text und Zahlen auf dem Bildschirm ein. Wenn man Komfort und Treffsicherheit dieser Tastatur auf einer Skala zwischen einer T9-Handytastatur und einem DIN-Keyboard eines PCs bewerten will, dann liegt sie so irgendwo in der Mitte. Das Tippen größerer Textmengen - womöglich auch noch blind und im 10-Finger-System - ist damit ziemlich ätzend, aber um einen Suchbegriff einzugeben oder mal eine kurze E-Mail oder einen Twitter-Tweet zu schreiben, geht sie ganz manierlich. Dummerweise zeigt die Tastatur nicht - wie viele andere Bildschirmtastaturen - an, ob gerade ein großer oder kleiner Buchstabe geschrieben wird. Shift-Lock gibt es nicht, das Schreiben eines Wortes wie BMW wird also erstaunlich mühsam. Will man einen Umlaut schreiben, dann muss man einfach den Finger einen Moment auf der Taste des Grundbuchstabens lassen und bekommt dann Optionen angezeigt. Wer breits ein iPhone oder ein vergleichbares Smartphone (zum Beispiel HTC Touch Pro oder Google Nexus 1) hat, der kennt viele der Tricks dieser Soft-Tastaturen schon und freut sich über die großen Tastenflächen des iPad. Allerdings: In der Regel schreibt man dann einfach mit einem Finger.
Das iPad ist mit über 300 Gramm überraschend schwer, dafür, dass es so flach ist. Es fühlt sich solide und wertig an, wozu auch die Display-Oberfläche beiträgt, die aus Glas gefertigt ist und nicht auf Druck, sondern auf Berührung reagiert. Das iPad hat einen Lagesensor eingebaut, es reagiert darauf, ob man es hochkant oder quer hält - und dreht den Bildschirm entsprechend. Alles läuft schnell und flüssig ab. Das iPod ist ein richtiges kleines Schmuckstück.
Nach den ersten paar Minuten ist es allerdings ein versautes Schmuckstück, denn die Finger hinterlassen auf dem hochauflösenden Display Schmierflecken. Ja, auch dann, wenn man sich die Finger gewaschen hat.
Surfen
Eine der Tätigkeiten, für die das iPad prädestiniert ist, ist das Surfen im Internet. Dafür ist der Safari-Browser an Bord, allerdings in einer abgespeckten Version für iPads. Außerdem verfügen alle iPads über eine eingebaute WLAN-Schnittstelle. Wer die Zugangsdaten seines WLAN kennt und eingibt, ist nach einer Minute online. Surfen mit dem iPad hat Charme: Alles geht sehr leicht, wenn man in irgendein Feld Text eingeben muss, blendet automatisch die Tastatur ein, die Webseiten werden so angezeigt, wie sie erscheinen sollen. Allerdings vermissen engagierte Websurfer schnell viele Techniken, wie sie bei anderen Internet-Computert heute Standard sind. So unterstützt das iPad kein Flash, deshalb laufen viele Animationen oder Videos nicht. Auch bei dem Versuch, auf Last.fm oder b5aktuell.de Webradio zu hören, bin ich gescheitert. Es ist auch höchst ungewöhnlich, dass der Safari-Browser weder eine Startseite, noch Tabbed Browsing oder Bookmarks kennt. Wer ein Bookmark anlegen will, bekommt statt dessen für jede angelegte Seite einen weiteren Button auf den Startbildschirm. Das kann dann bald sehr voll und unübersichtlich werden.
Gemessen an dem Funktionsumfang, den ein Browser auf einem Netbook der 250-Euro-Klasse bietet, ist der Safari auf dem iPad lausig - aber Apple möchte ja auch, dass wir Apps nutzen statt des universellen Browsers.
Doch je länger man mit dem iPad arbeitet, desto häufiger fallen einem Funktionsbeschränkungen auf, die man von anderen Computern gar nicht mehr gewöhnt ist. Das Markieren und Kopieren eines Textes ist zum Beispiel zwischen Applikationen häufig nicht möglich - bei Windows ist das bereits seit 15 Jahren Standard. Man kann auch nicht mehrere Anwendungen gleichzeitig laufen lassen. Wer etwa auf einer Website eine Adresse gefunden hat und sie auf Google Maps nachschlagen möchte, der muss erst den Browser verlassen und dann im Kartenprogramm die gemerkte Adresse eintippen. Was dem unerfahrenen Computerbenutzer hilft, das nervt den, der sich bereits an Hilfestellungen wie Multitasking, Copy & Paste oder Drag & Drop gewöhnt hat.
Bilder und Musik
Wer keinen PC oder Apple-Computer und keinen iTunes-Account hat, der bekommt so ohne weiteres weder seine Fotos noch seine Musik auf das iPad. Wer also seiner alten Mutter ein iPad kaufen will, weil sie keinen PC hat, der sollte das wissen.
Zeitung lesen - auf dem Balkon
Das iPad läuft mit einer Akkuladung angeblich bis zu zehn Stunden. Nach meinen ersten Eindrücken könnte das hinkommen. Insofern eignet sich das Gerät tatsächlich ganz gut, um darauf in aller Ruhe zu lesen, auch wenn es auf die Dauer zu schwer ist, um es die ganze Zeit in der Hand zu halten. Durch einfaches Auseinanderziehen des Bildes mit zwei Fingern lässt sich die Größe ändern. Viele Zeitungs-Apps bieten auch unterschiedliche Buchstabengrößen an. Dennoch: Eine Zeitung ist insgesamt praktischer als ein iPad. Und sobald man seine Wohnung verlässt, hat das iPad sowieso verloren. In der Sonne spiegelt das Display wie ein Rasierspiegel, und es ist auf die Dauer zu dunkel. Außerdem ist ein iPad natürlich weder wasserfest, noch sollte man es hinfallen lassen - und zum Reservieren einer Liege am Hotelpool taugt eine Zeitung auch besser. Herr Döpfner mag zwar mehr von Zeitungen verstehen als ich, aber ob das iPad wirklich die gesamte Medienlandschaft verändern wird, das werden wir dann noch sehen. Ich glaube noch nicht so recht daran.
Zu den Kosten
Apple bietet das iPad mit drei Speichergrößen und als Version mit und ohne UMTS an. Die billigste Version hat 16 GB Speicherplatz und kein UMTS, sie kostet 499 Euro. Die teuerste Version hat 64 GB Speicherplatz und UMTS, sie kommt auf fast das Doppelte, nämlich 899 Euro. Dazu kommen dann noch Kosten für den UMTS-Datenvertrag, sie rangieren zwischen 15 und 35 Euro im Monat, je nachdem, wieviele Daten man per UMTS überträgt. Dazu kommen noch die Kosten für kostenpflichtige Apps, ein Spiel hier, eine Fachzeitschrift da, ein Gadget dort. Wenn man die Möglichkeiten des Gerätes ausloten will, aber kein allzu großer Freak ist, sollte man sich vielleicht mal 100 Euro für die erste Sturm- und Drang-Zeit einkalkulieren.
Damit folgt das iPad der Apple-Tradition, innerhalb des Wettbewerbsumfeldes doch ziemlich teuer zu sein. Also, 500 bis 900 Euro knalle ich nicht einfach mal so für einen Computer raus, der nicht Fisch und nicht Fleisch ist. Andererseits: Wer auf einer schönen Designer-Couch sitzt und in einen sündenteuren Flachschirm-Fernseher von Loewe blickt, der sucht vielleicht nach einem kleinen Handschmeichler, mit dem er zwischendurch mal eben etwas im Internet nachsehen oder seine Mails checken will. Und dafür ist das iPad wirklich keine schlechte Lösung. Ob es dafür das große UMTS-Modell sein muss? Ich weiß nicht, die meisten von uns haben doch ohnehin WLAN im Haus.