Mittwoch, 20. Oktober 2010

Spaß mit der Telekom oder: Die drei mit der Mütze


Zu den wenigen Perlen des TV-Journalismus, die der private Rundfunk in seiner mehr als 25-jährigen Geschichte in Deutschland hervorbringen konnte, gehörte die Verbraucher-sendung "Wie bitte?!", die RTL in den Jahren von 1992 bis 1997 gesendet hat. Das Konzept war einfach, aber erfolgreich: Real existierende Ereignisse wurden vom Team der Sendung zu Sketchen verarbeitet, die nicht nur wegen des komödiantischen Talents der Ensemblemitglieder schreiend komisch waren, sondern vor allem deshalb, weil die den Sketchen zugrunde liegenden Fälle so kafkaesk erschienen, dass man es mit nüchternem Normalverstand kaum glauben wollte. Besonders populäres Sujet waren "die drei mit der Mütze", drei Mitarbeiter der Telekom (erkenntlich an albernen Käppis des Telekom-Radrennteams), die einfach so sturzdoof waren, dass sie nicht gleichzeitig geradeaus sehen und einen Teller Suppe löffeln konnten. In der Episode, von der das Bild oben stammt, geht es um einen Fall, in der die Telekom es schaffte, ein- und dieselbe Werbung 38mal an eine Adresse in Oberhausen zu schicken. Das Video kann man nicht auf anderen Seiten einbinden, aber hier ist der Link.

Die Sendung "Wie bitte?!" gibt es - zumindest im Originalkonzept - schon seit zehn Jahren nicht mehr. Aber Fälle, aus denen das Team sofort einen Sketch gedreht hätte, gibt es nach wie vor.

Zum Beispiel meinen Fall:

Am 1. Oktober bekam ich von der Firma Strato eine Werbe-Mail, in der mir der Webhoster ein interessantes Angebot machte: Ich könne meinen Call&Surf-Vertrag bei der Telekom auf VDSL aufrüsten, also statt der jetzt vorhandenen 6 Mbit/s mit 50 Mbit/s surfen. Dazu könnte ich von Strato eine Online-Festplatte bekommen, die dank des superschnellen VDSL-Anschlusses blitzschnell funktionieren würde, fast so schnell wie eine Festplatte im PC. Das ganze wurde mir zu einem attraktiven Preis offeriert und weckte mein Interesse - Bandbeite kann man schließlich nie genug haben.

Also folgte ich dem Link, der in der Mail angegeben war und landete auf einer Landing Page, in der das Angebot näher beschrieben war. Bei VDSL ist jedoch das Problem nicht der Preis, sondern die Frage, ob man es an dem Ort, an dem man seinen Telefonanschluss hat, überhaupt bekommen kann. Dazu war auf der Webseite eine Test-Anfrage integriert: Einfach die Telefonnummer eingeben, und schon sagt einem der Telekom-Rechner, ob's geht oder nicht. Das Resultat: In meinem Anschlussgebiet ist nicht mehr als DSL 6.000 drin. Schade, DSL 6.000 habe ich bereits - wird's also nix mit dem VDSL, okay, kann man nix machen. Also Seite geschlossen und gut.

Am 6. Oktober erreicht mich ein Schreiben der Telekom mit einer Auftragsbestätigung(!). Man bestätigte mir die Bestellung von einem DSL-Anschluss mit 6.000 kbit/s, einem ISDN-Anschluss, einem Tarifpaket Call&Surf Comfort ISDN mit drei Telefonnummern (MSN) sowie fünf zusätzlichen MSN. Meine Verwunderung über dieses Schreiben kannte keine Grenzen, denn erstens war ich mir nicht bewusst, in letzter Zeit irgendwas bei der Telekom bestellt zu haben, und zweitens umfasste die Bestellung exakt die Leistungen, die ich bereits seit Jahren bei der Telekom nutze. Meinen ISDN-Anschluss habe ich, seit ich 1996 in diese Wohnung zog, meinen DSL-Anschluss habe ich seit 2001.

Sollte ich das jetzt alles nochmal bestellen? Und eventuell nochmal bezahlen?

Also rief ich die Telekom-Hotline an, freute mich darüber, dass mein Telefon eine Freisprecheinrichtung hat und der Anruf so lange nichts kostet, wie man in der Warteschleife hängt: Man kann viel entspannter die Spülmaschine aus- und wieder einräumen, wenn man dabei nicht immer das Telefon ans Ohr halten muss.

Nach kaum einer Viertelstunde hatte ich eine Frau aus Fleisch und Blut an der Leitung, der ich in einem überaus kooperativen Gespräch erklärte, dass ich nichts bestellen wolle, was ich schon habe und dass ich an sich mit meinem Telefonanschluss soweit ganz zufrieden sei, das passe schon so. Die Dame konnte sich auch nicht recht erklären, wie es zu der Bestellung gekommen sei, versprach aber, alles zu meiner Zufriedenheit zu regeln.

Am 9. Oktober bekam ich einen Brief der Telekom, unterschrieben von einem gewissen Ralf Hoßbach, Leiter Kundenservice. Er beginnt mit den Worten:

"Sie erwarten völlig zu Recht, dass wir einen Auftrag für Sie nur mit
Ihrer Zustimmung annehmen. Bitte entschuldigen Sie, dass wir dieser Erwartung nicht nachgekommen sind."

Im weiteren Verlauf des Schriebens bestätigt mir Herr Hoßbach die Stornierung sämtlicher Leistungen, die ich bereits seit Jahren nutze. Alles weg: ISDN, DSL, meine Zusatzrufnummern!

"Ja, sind die denn des Wahnsinns fette Beute?" denke ich mir und rufe erneut die Hotline an. Kaum eine Viertelstunde später habe ich wieder eine freundliche Dame am Telefon, die tatsächlich heldenhaften Einsatz zeigt und in den Infight mit dem Computer geht. Ich höre ihr fünf Minuten beim engagierten Tippen auf der Tastatur zu, und schon hat sie das Unmögliche geschafft: Meine acht Telefonnummern (darunter auch die Geschäftsnummern meiner Frau) vor der Abschaltung und Neuvergabe an andere Kunden gerettet!

Puh, das war knapp.

Am 15. Oktober erhielt ich eine Auftragsbestätigung über fünf zusätzliche MSN. Das waren die, die ich bereits seit zehn Jahren habe, aber telefonnummern kann man ja hoffentlich nicht doppelt bestellen.

Heute schließlich erreichte mich eine Auftragsbestätigung, die angeblich zum 16.10. fällig wird, also vor vier Tagen. Darin dankt die Telekom mir für meinen Auftrag zur Aufnahme meiner Eintragsdaten in ihr Kommunikationsverzeichnis.

Was soll das? Ich habe diesen Auftrag nicht erteilt! Ich stehe seit 14 Jahren im Telefonbuch, meine Telefonnummer steht daneben. Und die Faxnummer benutze ich schon seit Jahren nicht mehr.

Hallo? Geht's noch? Wie bitte?!

UPDATE: Heute (21. 10.2010) kam eine Auftragsbestätigung für einen (vorn mir nie erteilten) Auftrag für den Eintrag in das Kommunikationsverzeichnis der Telekom, unterzeichnet von Ralf Hoßbach, Leiter Kundenservice.

Herr Hoßbach, auch noch mal für Sie zum Mitmeißeln: Ich habe bei Ihnen nichts bestellt! Ich will einfach meinen Telefon- und DSL-Anschluss weiter benutzen und nichts daran ändern. Es sei denn, Sie machen mir ein Angebot für VDSL, das bei mir verfügbar ist.
UPDATE 2: Am Freitag (22.10.2010) habe ich auf Anraten von Social Media-Experten auf Facebook Kontakt mit der dortigen Telekom-Anlaufstelle aufgenommen. Das hat mir laut Google Analytics einen Haufen Leser beschert, außerdem wurde ich per E-Mail gebeten, meinen Fall noch einmal zu schildern (mach' ich doch gerne). Heute (25. Oktober) wurde ich von einem Telekom-Mitarbeiter angerufen, der mit mir den fall noch einmal durchging - und Entwarnung gab: Es wird alles gut, und vielleicht bekomme ich bald sogar ein schnellers Internet. Prima, jetzt kann ich nachts wieder besser schlafen...

Dienstag, 12. Oktober 2010

Navis auf dem Motorrad: Versuch macht kluch










Das TomTom Rider war nicht weniger als eine Revolution: Ein Navigationssystem, speziell für Motorradfahrer gebaut. Das bedeutete: Wetterfest, im hellen Sonnenlicht ablesbar, mit Handschuhen bedienbar und mit einer Bluetooth-Schnittstelle für die drahtlose Übertragung der Ansagen in den Helm. Wie das bei Revolutionen meistens so ist, ging auch diese nicht ohne Kollateralschäden ab: Die Software schmierte gelegentlich ab, die Motorradhalterung war eine Fehlkonstruktion - zahlreiche Geräte machten sich bei voller Fahrt selbstständig - und der Einführungspreis von 800 Euro war nur etwas für Hartgesottene.
Die meisten dieser Probleme gehörten mit der Einführung des TomTom Rider 2 im Jahr 2008 der Vergangenheit an: Die Software wurde überarbeitet, die Halterung ebenso - und der Preis sank sukzessive auf weniger als die Hälfte. Zum Schluss wurde der TomTom Rider 2 inklusive Halterung und DACH-Karte für deutlich unter 300 Euro verkauft. Wer wie ich die "Europa"-Version nahm, bekam für 350 Euro das Navi, die große Europakarte mit 43 Ländern, eine RAM-Mount-Halterung und das Bluetooth-Headset Scala Cardo.
Seit Mitte 2010 ist der Rider2 vergriffen, das Nachfolgemodell Urban Rider ist auf dem Markt. Auch hier gibt es die Grundversion für 249 Euro und die Pro-Version mit Headset und großer Karte für einen Hunderter mehr.
Ich hatte jetzt die Gelegenheit, den Urban Rider auszuprobieren - und das sind die Unterschiede:
Die Hardware
Auf den ersten Blick sind die Gehäuse beider Geräte gleich, was für die Abmessungen und das Gewicht auch zutrifft. Das Rider2-Gehäuse ist silbern lackiert, was nicht unbedingt von Vorteil sein muss, denn die Farbe kann abkratzen. Das Urban-Gehäuse ist aus robustem, schwarzem Hartplastik und somit unempfindlicher. Der Rider2 hat einen eingebauten SD-Kartenslot und eine Ladebuchse für ein Steckerladegerät. Beim Urban Rider ist der Kartenspeicher fest eingebaut, geladen wird nur noch über die Mini-USB-Buchse, diese dient beim Rider2 nur zum Datentransfer.
Die beiden Bildschirme sind in der Praxis etwa gleich hell, der Helligkeitsunterschied auf dem Foto täuscht. Intern hat der Urban Rider etwas mehr Arbeitsspeicher bekommen, was bedeutet, dass die Urban-Software auf dem Rider2 nicht läuft. Außerdem wurde der eingebaute Akku etwas vergrößert, so dass der Urban bis zu 8 Stunden mit einer Akkuladung laufen soll. beim Rider2 sind es nur fünf.
Der Lieferumfang
Der erstaunlich niedrige Preis des Urban Rider wird durch einen zum Teil mageren Lieferumfang erkauft. So gibt es für den Rider2 eine praktische Transporttasche aus Neopren, die beim Urban Rider fehlt. Der Haupt-Nachteil ist jedoch die mitgelieferte Motorradhalterung: Beim Rider2 liegt ein so genanntes Active Dock bei, also eine Halterung mit Stromanschluss, an der man den Rider während der Fahrt aufladen kann. Der Urban Rider wird serienmäßig mit einer Passiv-Halterung ausgeliefert, ein Aufladen am Motorrad ist nicht vorgesehen. Dem Vernehmen nach gab es mit der aktiven Halterung Probleme, viele Motorradfahrer waren nicht in der Lage, die Stromversorgung richtig anzuschließen. TomTom konterte mit der Passiv-Halterung und einem größeren Akku. Allerdings kostet das Active Dock als Zubehör stolze 65 Euro, was den Preis des Urban Rider schon über die 300-Euro-Marke drückt. Dafür ist die Softwareausstattung der "kleinen" Version üppiger als beim "kleinen" Rider2: Statt DACH ist ganz Mitteleuropa drauf.
Die Software
Der Hauptunterschied zwischen beiden Geräten offenbart sich, wenn man sie einschaltet: Die Benutzeroberfläche des Urban Rider wurde komplett überarbeitet. Dies ist nicht unbedingt von Vorteil, vor allem die Konfigurationsmenüs schicken einen oft in eine Riesenschleife, aus der man nicht wieder herauskommt. Dafür wurden manche Einstellungsoptionen feinfühliger. Das gilt vor allem für die Option "kurvenreiche Strecke", hier kann man wählen, wie kurvenreich man es haben will. Steht man vor der Entscheidung zwischen beiden Geräten, kann allein diese Option den Ausschlag geben. Wer einfach nur von A nach B fahren und dabei mit seinem Motorrad Spaß haben will, der wählt "kurvenreiche Strecke" und bekommt vom Navi überraschend kreative Vorschläge geliefert. Auch sonst wurde die Software an vielen Ecken verbessert: Es gibt ein Motorrad-Schnellmenü, das einen mit zwei Fingertippsern zur nächsten Tankstelle leitet, außerdem kann man jetzt für die Eingabe neben einer QWERTZ-Tastatur auch eine T9-Tastatur mit extragroßen Tasten wählen, mit der ich allerdings nicht zurecht kam. Neu hinzugekommen sind außerdem eine Tracking-Funktion und ein Fahrspurassistent.
Routenplanung und Fahren
Auch beim Urban Rider verzichtet TomTom wie beim Rider2 darauf, ein vernünftiges Tool für die Routenplanung beizulegen. Hier kann TomTom nicht mit Garmin mithalten, wo die Planungssoftware MapSource zum Lieferumfang gehört. Allerdings kann man sich mit anderen Tools helfen, zum Beispiel dem MOTORRAD Tourenplaner, dem Programm TYRE oder dem Onlinetool von Harzpoint. Zu beachten ist nur, dass eine Route auf dem TomTom maximal 48 Waypoints haben kann. Bei Programmierung, Zieleingabe und Routing bestehen zwischen Rider2 und Urban Rider wenig Differenzen, wenn man einmal von der wirklich gelungenen Option "kurvenreiche Strecke" absieht. Nach wie vor beherrschen beide Navis kein "Text to speech", was bedeutet, dass Straßennamen und Richtungen nicht angesagt werden. Außerdem fehlt beiden die Fähigkeit, einfach mal zu sagen "dem Straßenverlauf folgen". Knickt eine Vorfahrtsstraße nach rechts ab, wird eine Abbiegung nach rechts angesagt - manchmal jedoch auch nicht. Der Fahrspurassistent des Urban Rider ist Geschmackssache: Am unteren Rand der Anzeige werden die Fahrspuren angezeigt, und die , die man benutzen soll, blinkt. Bei Autobahnauffahrten ersetzt sogar eine fast schon fotorealistische Grafik der Straßensituation die normale Kartenansicht. Das ist nicht unangenehm - wirklich nötig ist es aber eigentlich auch nicht.
Der Betrieb im Auto
Da der Rider keinen eingebauten Lautsprecher hat, gibt es - für stolze 80 Euro - eine Auto-Halterung, komplett mit einem eingebauten Lautsprecher und einem Ladestecker für den Zigarettenanzünder. An meinem Rider2 habe ich seit einiger zeit an der Auto-Halterung keinen Sound mehr, ich weiß auch nicht warum. Als ich den Urban Rider in die Halterung steckte, gab es wieder Ton. Das ist sub-optimal.
Fazit
Der Urban Rider ist unter dem Strich ein gelungenes Upgrade des Rider2, wobei allerdings beim Lieferumfang geknausert wurde. Für den, der ein günstiges Navi sucht, ohnehin nicht so lange Touren fährt und eventuell bereits ein Bluetooth-Headset in seinem Helm hat, ist allerdings der Urban Rider in der Standard-Ausstattung ein heißes Angebot zu einem wirklich günstigen Preis. Wer bereits den Rider2 besitzt, muss nicht neidisch auf den Urban Rider schauen: Im Grunde sind beide Geräte nach wie vor sehr ähnlich.