Mittwoch, 27. Mai 2009

Anruf von BMW


Aufmerksame Leser dieses Blogs werden es wissen: Ich bin BMW-Fahrer. Seit zehn Jahren nenne ich einen BMW 325i Cabrio mein Eigen. Das gute Stück ist inzwischen 17 Jahre alt und hat rund 195.000 Kilometer auf der Uhr. Ich wäre vielleicht auch gern BMW-Motorradfahrer, die nebenstehende BMW R 1150 GS tät' mir eventuell taugen. Aber dazu später.
Seit drei Wochen steht mein Cabrio in der Werkstatt. Natürlich nicht in einer BMW-Werkstatt, was nicht nur preisliche Gründe hat. Als ich den Wagen 1999 kaufte, war er sieben jahre alt und in meinen Augen quasi neuwertig. Ein solch luxuriöses Auto (Sechszylinder, Leder, Automatik, Elektrodach) hatte ich noch nie besessen, und für den Erhalt der zweijährigen Gebrauchtwagengarantie ließ ich den Wagen ausschließlich bei BMW-Werkstätten warten. Eines Tages stand eine große Inspektion an, außerdem waren ein paar Sachen zu machen. Der Wagen stank im Leerlauf nach Sprit, die Zentralverriegelung hakte, die Automatikantenne ebenso. Und die Innenbeleuchtung schaltete sich nicht mehr ab, wenn man die Tür zuschlug. Zuvor war sie immer zehn Sekunden nach dem Schließen der Tür ausgegangen, jetzt ging sie gar nicht mehr aus. Dem Meister, der den Wagen entgegennahm, sagte ich: "Ich bin ja kein Automechaniker, aber früher war nach dem Schließen der Tür immer hier hinter dem Armaturenbrett ein leises 'klick' zu hören. Jetzt klickt es nicht mehr und das Licht geht nicht mehr aus. Ich vermute einen Zusammenhang."
Als ich den Wagen abholte, stank er nicht mehr nach Sprit. Die Zentralverriegelung hakte immer noch, die Automatikantenne ebenfalls, dafür standen satte 2015 D-Mark auf der Rechnung, das waren zehn Prozent des Kaufpreises. Nachdem ich mich von meinem kurzzeitigen Herzstillstand erholt hatte, zahlte ich, nahm mein Auto, fuhr ins Büro zurück - und merkte zunächst, dass die Armaturenbrettbeleuchtung zur Hälfte ausgefallen war. Dann machte ich die Tür zu - und das Innenlicht ging sofort aus, die Verzögerung war weg! Ich machte auf der Stelle kehrt, fuhr den Wagen zurück in die Werkstatt und beschwerte mich. Die Reaktion des meisters: "Na, wenn Sie da auch irgend so einen Verzögerungsschalter eingebaut haben..." (Anmerkung: Bei diesem Auto war die Innenlichtverzögerung natürlich ab Werk serienmäßig). Für das Auswechseln der durchgebrannten Birne in der Armaturnbrettbeleuchtung stelte er mir eine Arbeitszeit von einer Stunde in Aussicht. Derzeit ginge es aber nicht, ich müsse noch einmal einen Termin machen...
Zwei Tage später rief ein Marktforschungsinstitut im Auftrag von BMW an: Sie haben doch vor kurzem Ihren BMW bei der Werksniederlassung in München gehabt. Wie zufrieden waren Sie denn mit dem Service...
Ich habe aus meinem Herzen keine Mördergrube gemacht.
Bereits am nächsten Tag rief ein Mann an, stellte sich als der neue Service-Leiter der BMW-Niederlassung vor und meinte, er habe gerade die aktuellen Ergebnisse der Kundenbefragung bekommen. Offenbar sei ich nicht zufrieden...
Ich habe ihm zemlich drastisch klar gemacht, dass das einzige, was bei dieser Serviceleistung das Attribut "Premium" verdient hat, ja wohl der Rechnungsbetrag gewesen sei. Wir verblieben so, dass ich ihm mein Cabrio noch einmal zwei Tage in die Werkstatt stellen und so lange einen Leihwagen bekommen sollte. Er versprach, sein Bestes zu geben. Immerhin bekamen die Schrauber einige Probleme auf die Reihe und machten auch Bekanntschaft mit dem so genannten Komfort-Relais, Kostenpunkt 14 Mark, das ausgefallen war und für das Dauerlicht im Innenraum sorgte. Anschließend versuchte noch ein übermotivierter BMW-Verkäufer, mich davon zu überzeugen, dass mein 3er mit seinen neun Jahren und 130.000 km auf dem Buckel nun doch in die Jahre gekommen sei, und ob ich nicht einen Neuen...
An diesem Tag im Jahr 2001 war mein Cabrio das letzte Mal in einer BMW-Werksniederlassung. Seitdem macht ein freier Schrauber, was zu machen ist - und er macht es für noch nicht einmal das halbe Geld.
Gestern rief BMW wieder an. Ob denn alles mit meinem BMW in Ordnung sei, wollte der Mann wissen, ob ich irgendwelche Beratung bräuchte, ob ich noch zufrieden sei.
Ich antwortete: "Der BMW steht bei einer freien Werkstatt, die kümmern sich um den Wagen. Ich fahre im Moment ohnehin mehr Motorrad. Ich könnte mir auch ein BMW-Motorrad vorstellen, aber als ich das letzte mal in einer BMW-Niederlassung war und 45 Minuten verschärftes Kaufinteresse signalisierte, hielt es keiner Ihrer Kollegen für geboten, mir seine Aufmerksamkeit zu schenken."
Das saß. Der Mann am Telefon geriet nun mächtig ins Rudern bei dem Versuch, mich bei der Stange zu halten. Zumal er absolut nicht die geringste Ahnung von Motorrädern zu haben schien - wen lässt BMW bloß auf seine Kunden los? Ich würde mich also für ein BMW-Motorrad interessieren, welches denn? Antwort: Eher eine Gebrauchte, zum Beispiel eine 1150 GS - "Wie heißen die Buchstaben am Ende nochmal?".
Naja, wie soll er das auch wissen? Die BMW R 1150 GS war zu ihrer Zeit das meistverkaufte Motorrad der BMW-Palette, heute ist es die R 1200 GS. Ohne die GS-Modelle gäbe es die Motorradsparte von BMW heute vermutlich gar nicht mehr.
Immerhin machte er das einzug Richtige: Er versprach, die ganze Angelegenheit an die BMW-Motorradniederlassung weiterzugeben. Von dort bekam ich zwei Stunden später einen Anruf.
Am 6. Juni bekomme ich für zwei Stunden eine R 1200 GS zum Probefahren. Ich werde ihr mal meine Hausstrecke zeigen. Dann weiß ich, ob es sich lohnt, darauf zu sparen.

Sonntag, 24. Mai 2009

Auf einen Kaffee in Vaduz

Meine Frau und ich haben ein Projekt am Laufen: „Wer war schon in den meisten Ländern Europas oder gar der Welt?“ Leider ist sie mir in einer Sache nahezu uneinholbar voraus: Sie war, als ich sie noch nicht kannte, mal in der Hauptstadt der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken. Das kriege ich natürlich so schnell nicht mehr getoppt, ich war ja noch nicht mal in Russland [Update: Meine Frau war gar nicht in Moskau, sondern in Leningrad - also nicht nur ein Land, das heute anders heißt, sondern auch eine Stadt, die es heute so nicht mehr gibt]. Dafür war ich mal in Israel (wenn auch nur im Transit auf dem Flughafen), ich war schon in Rumänien und in Bulgarien, beides ist jetzt fast 40 Jahre her, war ein beliebtes Urlaubsziel für kinderreiche Familien, damals. Sie allerdings war schon mal in Schottland und in Irland – da habe ich eindeutig Defizite. Ich war zwar schon häufiger in England als sie, aber Doubletten zählen nicht.

Punkte machen kann man natürlich mit kleinen Ländern und Kleinstaaten, aber da haben wir gemeinsam schon alles Mögliche durch: Malta, Türkische Republik Nordzypern, Andorra, San Marino, Vatikanstaat. In Luxemburg war ich schon mal, sie aber wohl auch. Und Liechtenstein?

Gar nicht so weit weg von München, sagt der Routenplaner, 240 km, wenn man auf Autobahnen verzichtet. An Himmelfahrt hatte ich einen gemeinsamen Ausflug mit dem Auto nach Vaduz vorgeschlagen, sie hatte abgelehnt. Okay, sie hatte ihre Chance, am heutigen Samstag kommt meine: Als wir in aller Frühe (denn sie muss derzeit wegen eines Studiums am Samstag immer früh raus) beim Frühstück sitzen, sage ich: „Ich fahre heute mit dem Motorrad nach Vaduz.“ Ihr Blick ist skeptisch. „Das ist ja viel zu weit. Du spinnst.“ Okay, für jemanden, der noch nicht einmal an einer Fahrt auf dem Motorrad in den nächsten Biergarten Interesse zeigt, muss es eine absurde Vorstellung sein, ein paar hundert Kilometer am Stück im Sattel zu verbringen, aber ich diskutiere ja auch nicht mit ihr über Handtaschen. Sie gibt mir noch zwei wichtige Anweisungen auf den Weg: 1. auf mich aufpassen. 2. heute noch zurückkommen. Ich deute Anweisung 2 als einen gewissen Freibrief, was den Zeitpunkt der Rückkehr angeht. Andererseits weiß ich, dass sie es gerne mag, wenn ich abends dann auch mal irgendwann wieder da bin.

Also los. Leider habe ich weder mein Notebook zur Hand (das braucht meine Frau im Moment fürs Studium) noch genügend Zeit, mir mit dem Motorrad-Tourenplaner eine detaillierte Route nach Vaduz unter spezieller Berücksichtigung von Mondphase, fahrdynamischen sowie touristischen Highlights zu stricken und auf mein Navi zu spielen. Deshalb plane ich auf Lücke: Auf der Hinfahrt will ich die Wahl der Route dem Navi allein überlassen, außerdem packe ich ein paar Landkarten ins Gepäck, um dann während der Pause in Vaduz in Ruhe eine spektakuläre Rückreiseroute zu planen. Recht warm ist es: Einen Fleecepulli packe ich zwar ein, brauche ihn aber die ganze Tour nicht, unter der Motorradjacke trage ich nur ein langärmeliges Unterhemd aus Funktions-Kunstfaser.

Das Navi erhält den Auftrag, eine Route von „München-Laim“ nach „Vaduz, Stadtmitte“ zu rechnen. Dabei wähle ich die Option „Autobahnen vermeiden“, die sich schon häufig als Garant für ebenso zügiges wie spektakuläres Vorwärtskommen bewährt hat – Mautstraßen lasse ich aus. Das Navi rechnet eine Weile und präsentiert eine Route von 257 km Länge und 4:25 Stunden Fahrtzeit. Um acht sitze ich auf der Maschine, um kurz vor halb eins soll ich in Vaduz sein, na, mal sehen.

Der erste Teil der Route birgt keine großen Überraschungen, das Navi leitet mich, es hat ja Autobahnverbot, auf der Olympiastraße parallel zur A95 bis nach Berg, von da aus über die B2 durch Starnberg durch in Richtung Weilheim. Naja, toll ist die Strecke nicht, aber man kommt voran. Dann geht es in Richtung Peißenberg. Ich vermute, dass das Navi die Alpenstraße in Richtung Füssen erwischen will, die üblicherweise mit Reisebussen voller Japaner verseucht ist. Nun gut, wenn man schnell nach Füssen oder nach Reutte in Tirol will, dann ist die Straße ganz okay, aber wenn man schnell wohin will, kann man ja auch den ICE nehmen. Doch dann kommt es anders: Kurz vor Peißenberg ist die neue Umgehungsstraße jetzt fertig, die B472 macht jetzt einen Bogen um die Stadt, durchschneidet mit einem Tunnel eine Hügelkette und überquert auf einer nagelneuen Brücke die Ammer. Die ganze Umgehung ist so neu, dass sie auf den Luftbildern von Google Earth noch nicht zu sehen ist – und mein Navi hat von ihr erst recht keinen Schimmer. Also rechnet sich der Rechner einen Wolf, während ich ein paar Hochgeschwindigkeits-Schräglagen fahre. Dann kreuzen wir die Böbinger Straße (ST 2058), die über Böbing und Rottenbuch führt, eine schöne Landstraße mit anspruchsvollen Kurven, ein paar Serpentinen und anderen Scherzen – diese Gelegenheit kann ich nicht auslasen. Die Route ist auch anderen Motorradfahrern bekannt, ich bin heute nicht allein. Das Navi fordert mich noch zweimal zum Umdrehen auf, bis es sich eines besseren besinnt und die gewählte Route akzeptiert.

In Rottenbuch kreuzt die ST 2058 die B23, auf der ich jetzt auf schnellstem und touristisch unattraktivstem Weg nach Oberammergau und weiter nach Österreich fahren könnte, doch das Navi hat andere Pläne. Es schickt mich auf die sehr schön zu fahrende ST 2059 über Steingaden nach Lechbruck, von dort aus geht es weiter nach Westen, die nächste größere Stadt ist Nesselwang. Die Landschaft verändert sich, wir sind jetzt eindeutig im Allgäu. In Sonthofen gerate ich in einen Einkaufsverkehrsstau, es ist jetzt schon richtig warm und mein Frühaufsteherbonus ist definitiv verbraucht.

Bei Balderschwang fahre ich über die Grenze nach Österreich, und hier sieht man ihn noch, den Unterschied im Lebensstandard, den es früher auch anderswo zu beobachten gab: Alles wirkt ein wenig ärmlicher und gerümpeliger als im properen, erkennbar wohlhabenden Allgäu. Dafür schickt mich das Navi im Vorarlberg durch immer kleinere, kurvigere Sträßchen. Ich vermute bereits einen Fehler im System, als ich plötzlich doch an einer größeren Durchgangsstraße lande, die in Richtung Dornbirn führt.
Dornbirn ist von den Städten der Bodenseeregion definitiv eine der hässlicheren. Die ganze Stadt wirkt merkwürdig heruntergekommen und zersiedelt. Dennoch plagen mich Hunger, Durst und ein einschlafendes Hinterteil. Deshalb mache ich Rast beim „Gasthof zum Bären“, ordere eine Flasche Almdudler und ein Paar Hauswürste mit Senf und Kren (Mehrrettich). Mit Letzterem ist nicht zu spaßen: Wer zuviel davon im Mund hat, heult. Beim Aldi, der in Österreich Hofer heißt und in Dornbirn in einem furchtbar hässlichen Gewerbegebiet untergebracht ist, scheitere ich bei dem Versuch, eine österreichische Prepaid-Karte für mein Smartphone zu kaufen – die gibt es nur für Menschen, die eine österreichische Adresse und eine österreichische Bankverbindung haben, steht in der Broschüre [Update: Stimmt nicht, es gibt auch eine Variante ohne Pass & Konto]. Also weiter.

Die Route nach Vaduz entwickelt jetzt gewisse Längen, ewig geht es durch langweilige, dafür strikt geschwindigkeitsbeschränkte Gewerbegebiete, bei denen zwar wirtschaftliche Prosperität erkennbar ist, aber kein konsequenter Bebauungsplan. Dass es immer noch nach Vaduz geht, muss ich meinem Navi glauben, denn ausgeschildert sehe ich die Hauptstadt des kleinen Nachbarlandes nirgends. Kurz vor Feldkirch erscheinen dann die ersten Hinweise: Das Fürstentum, das unser Finanzminister so auf dem Kieker hat, rückt näher.

In Schaanwald fahre ich völlig unspektakulär über die Grenze. Liechtenstein ist zwar nicht in der EU, aber dennoch will niemand meine Papiere sehen. Unspektakulär geht es weiter: Liechtenstein präsentiert sich wie ein ewig langes Straßendorf. Wer erwartet hatte, dass hier der Reichtum aus allen Poren spritzt, sieht sich getäuscht. Dabei hat Liechtenstein laut Wikipedia weltweit das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, 2005 waren es umgerechnet 111.000 Euro, gezahlt wird hier in Schweizer Franken, aber Euros gehen auch. In Schaan wird deutlich, dass im Fürstentum nicht nur Kapitalanlagen produziert werden: Schaan ist Heimat der Hilti-Werkzeuge, die großen Gebäude mit dem Hilti-Schriftzug dominieren die Stadt. An jeder Ecke ne Bank? Sieht nicht so aus.


Der Eindruck hält sich, als ich nach Vaduz komme. Die Stadt ist unspektakulär. Die Fußgängerzone im Zentrum kann es locker mit Metropolen wie Germering oder Verden an der Aller aufnehmen. Allerdings ist in Vaduz Centro die Dichte an Anbietern von Kuckucksuhren, Victorinox-Taschenmessern und Schweizer Schoggi signifikant höher als etwa in Verden. Viel Zeit habe ich nicht, denn ich muss ja irgendwann auch wieder nach hause, dennoch wage ich einen Rundgang durch die Fußgängerzone.

Zuvor muss ich mich allerdings minimal stadtfein machen, also falte ich meine Motorradjacke in den Koffer an der Yamaha, hänge Helm und Rückenpanzer ans Krad und sortiere mich neu. Das erregt das Interesse zweier fernöstlicher Touristen, sie beginnen Smalltalk mit mir. Wie schwer denn meine Maschine sei (etwa viermal so schwer wie Sie, junge Frau), woher ich denn komme und so weiter. Die Damen kommen aus China, wie sich herausstellt, und sie sind nicht die einzigen Chinesen in Vaduz. Landsleute von ihnen inspizieren interessiert und belustigt die zahlreichen modernen Kunstwerke, die in der Fußgängerzone verteilt sind.

Später lasse ich mich in einem der zahlreichen Straßencafés nieder, plane meine Rückreise und bestelle bei einem förmlich aussehenden jungen Mann einen Eiskaffee. Der wird mir gebracht von einer überaus attraktiven Blondine – und macht schlagartig klar, woher das hohe Bruttoinlandsprodukt kommt: Er kostet 8,90 Euro. Egal, dafür ist der Sprit billig, 1,01 Euro für den Liter Super ist mehr als 30 Cent billiger als in München. Auf dem Rückweg bunkere ich so viel, wie in den Tank passt, doch zuerst fahre ich noch zur Fürstenburg hoch.


Fürst Hans-Adam II ist der momentane Hausherr, die Straße hoch zur Burg wurde nach seinem Vater Franz-Josef benannt, der das Gemäuer seit 1938 bewohnt hat. Die Schokoladenseite ist zum Tal hin, was man von der Straße aus sieht, ist trutzig, aber nicht mehr. Hans-Adam II ist nicht ganz unumstritten: 1992 drohte er mit der Auflösung der Regierung, wenn sie nicht seinem Wunsch nach einem Termin für die Volksabstimmung über den Beitritt Liechtensteins zum EWR entspreche. Die Regierung kuschte, Liechtenstein trat dem EWR bei, und in Folge konnten sich zahllose ausländische Banken in Vaduz ansiedeln, allein: Man sieht sie nicht. Jetzt hat Fürst Hans-Adam Zwo Stress mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück Eins, der ihm seinen Steueroasen-Status nicht gönnt. Aber den kann er nicht einfach absetzen.

Kaffee getrunken, Burg gesehen, Sprit gebunkert – es geht zurück. Aber auf einer anderen Route, im Café kunstvoll händisch ins Navi programmiert. Raus aus dem Fürstentum geht es genauso wie rein – wieder will niemand an der Grenze irgendwelche Papiere sehen. Hätte ich das gewusst, hätte ich wirklich elegant mein nicht vorhandenes Schwarzgeld deponieren können. Wer kontrolliert schon die Koffer einer ’92er Yamaha. Die neue Route biegt hinter Feldkirch nach Osten ab, es geht in Richtung Furkajoch. Am Fuß des Passes die Enttäuschung: Der Pass sei gesperrt, sagt ein Schild, die Fahrt bis Lantens sei möglich. Was nun? Unschlüssig stehe ich mit drei anderen Motorradfahrern herum, da kommt der Besitzer eines Steh-Imbisses zu uns und klärt auf: „Der Pass ist zwar gesperrt, aber man kann problemlos rüberfahren, das machen die Einheimischen auch. Es gab oben wohl einen Erdrutsch, aber da kommt man problemlos durch.“ Der Mann muss es wissen, also los.

Oben erwartet uns eine gesperrte Brücke, die man auf einer Schneise durch den Wald umfahren kann. Reisebusse dürften hier Schwierigkeiten haben, aber wir kommen problemlos durch. Der Rest des Passes ist so gut wie verkehrsfrei, wenn man von ein paar Motorrädern und einigen Rennradlern absieht. Und außer einigem Schmelzwasser, das aus dem Restschnee auf die Straße läuft, gibt es auch keine ernst zu nehmende Behinderung auf der Straße. Erdrutsch? Fehlanzeige - oder schon abgeräumt.

Zehn Kilometer später ist dann endgültig Schluss, die Straße ist komplett gesperrt, ein Wachtposten steht daneben – und gibt Entwarnung: Wegen eines Bergrennens wurde die Straße gesperrt, in einer halben Stunde ist sie wieder offen.
Wir Motorradfahrer vertreiben uns die Zeit mit Smalltalk („Das ist aber auch ’ne schöne Maschine, die Du da hast“) und gucken den Renn-Oldtimern zu, die in 100 Metern Entfernung wenden, um wieder gen Tal zu fahren. Gegen 16 Uhr geht es weiter – schon ganz schön spät für jemanden, der noch 180 km bis nach hause hat.



Über Damüls und Schröcken geht es auf eine Passstraße, die in der Karte als „Käsestraße“ eingezeichnet ist und wunderbare Bergpanoramen mit schnellen Kurven paart. Schließlich komme ich auf die Lechtal-Bundesstraße, die mich direkt bis nach Reutte führt. In Stanzach wollte ich eigentlich abbiegen und eine Runde durchs Namloser Tal fahren, doch die fortgeschrittene Uhrzeit lässt mich die Economy-Variante wählen: Direkt nach Reutte, von dort aus über die B17 bis nach Steingaden und dann zurück in Richtung Böbing. Jetzt könnte ich genauso heimfahren, wie ich hergekommen bin, doch das Navi, das jetzt im „Schnellste Route“-Modus steht, nimmt seinen Job jedoch sehr ernst und leitet mich um in Richtung Uffing am Staffelsee und schickt mich schließlich bei Sindelsdorf auf die A95. Von dort aus sind es noch gut 50 Kilometer nach München. Kaum auf der Autobahn, geht mir der Sprit aus, ich schalte auf Reserve. Komme ich damit heim? Ich beschließe, kein Risiko einzugehen und tanke auf der Autobahntankstelle Höhenrain – für stolze 1,349 Euro pro Liter.

Kurz vor 19 Uhr komme ich zuhause an. Rund 600 Kilometer bin ich gefahren – nicht schlecht für einen kleinen Ausflug ins Eiscafé.

Wer ist für Kinderpornos?


Ich habe unterschrieben. So wie über 80.000 andere Menschen auch. Wir haben eine Petition gegen die von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorangetriebene Indizierung und Sperrung von Internet-Seiten mit kinderpornografischem Inhalt unterschrieben. Und wir sind so viele, dass sich der Bundestag mit dieser Petition befassen muss. Wirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) äußerte dazu vor laufenden TV-Kameras seine Besorgnis, dass pauschal der Eindruck entstehen könne, dass viele Menschen sich gegen die Sperrung derartiger Inhalte sträubten. Er zeigt damit, dass er nichts verstanden hat. Es geht nicht um Kinderpornografie, es geht um Zensur. Mit der - naturgemäß geheimen - Liste mit illegalen Websites, die das BKA jeden Tag zusammenstellen und an Provider schicken will, lassen sich alle mögliche missliebigen Web-Inhalte sperren - ohne Anhörung der Geschädigten, ohne Rechtsmittel, ohne Kontrolle. Das ist die klassische Definition von Zensur, und diese findet laut Grundgesetz, Artikel 5, in unserem Land nicht statt. Es ist nicht die Aufgabe der Gegner der Internet-Sperrverfügung, der Regierung einen Weg aufzuzeigen, wie sie Kinderpornografie bekämpfen könnte, ohne die Verfassung zu brechen. Es kann auch nicht sein, dass denen, die im Umgang mit den Grundrechten im Internet Augenmaß fordern, Verständnis oder gar Sympathie mit Kinderschändern unterstellt wird. Es muss sich endlich bei der Regierung die Erkenntnis durchsetzen, dass selbst der Kampf gegen Kinderpornografie nicht alle rechtsstaatlichen Grundsätze außer Kraft setzen darf. Schließlich kommt ja auch niemand auf den Gedanken, die katholische Kirche zu verbieten, nur weil es immer wieder zu Fällen von Pädophilie innerhalb der Priesterschaft kommt.

Anmerkung: Dieser Kommentar erscheint am Montag, 25. Mai 2009 in der Internet-Wirtschaftszeitschrift INTERNET WORLD Business. Bis jetzt haben mehr als 93.000 Menschen die Petition gegen Internet-Sperren unterschrieben. Wer noch nicht unterschrieben hat, kann das hier nachholen.

Gesucht: Internet in Österreich



So sieht der aktuelle TV-Spot von Hofer (der östereichischen Ausgabe von Aldi) für ihr Mobilfunk-Angebot Yesss aus. Yesss gibt es auch für Smartphones, die SIM-Larte kostet einen Zehner, dabei sind 512 MB Datenvolumen. Exakt das ist es, was meinem Smartphone noch fehlt, wenn ich in Österreich bin. Denn dann könnte ich in Österreich Google Maps benutzen, mal mit dem Notebook online gehen, Bilder per Mail erschicken, ohne dass es mich arm macht. Ein Gigabyte kostet mich im Moment in Deutschland nämlich gerade mal zehn Euro, im EU-Ausland bekomme ich dafür gerade noch 5 MB.

Der Haken: Um eine solche Yesss-Datenkarte ans Laufen zu bekommen, muss man sie anmelden, und zwar mit einem österreichischen Ausweis und einer österreichischen Bankverbindung. Das stand zumindest in der Broschüre, die ich mir im Hofer-Supermarkt durchgelesen habe.

Oder weiß jemand eine andere Lösung?

[Update: Die Lösung wurde gefunden - es gibt eine echte Prepaid-Karte ohne Pass & Konto]

Sonntag, 17. Mai 2009

Die Sache mit der GS

Eigentlich bin ich ja BMW-Fahrer. Ich bin groß, ich lebe in Bayern, und in Berlin, wo die BMW-Motorräder (zumindest die, auf die es ankommt) gebaut werden, habe ich studiert. Aber ich fahre keine BMW, sondern eine Yamaha TDM 850. Hat sich halt so ergeben. Eine BMW GS hätte ich lieber gehabt, aber die werden – in Anbetracht ihres Alters und des Kilometerstandes – sehr teuer gehandelt. Die alten BMW-Boxer haben meine Wahrnehmung, wie ein Motorrad aussehen und vor allem wie es klingen sollte, geprägt. Und die neuen Vierventil-Boxer, die BMW seit Anfang der 90er baut, mit elektronischer Einspritzung und ABS, die waren mir immer zu teuer.

Eine alte GS hatte ich irgendwie auch immer auf dem Zettel. Alt bedeutet: Baujahr irgendwann in den 80ern, Zweiventil-Boxer mit 800 bis 1000 ccm und 50 bis 60 PS, Technik der 70er. Kann man so was kaufen? Bloß nicht, sagt mein bester Freund und Trauzeuge Rainer, das Ding ist bleischwer, der Motor schüttelt Dir die Eingeweide durch, hat untenrum ein bisschen Schub, aber ab 4.000 ist Ende. Das geht gar nicht.

Meinem Kollegen Dominik ist jetzt eine R100GS „zugelaufen“, wie er das nennt. Eigentlich ist Dominik auf leichte japanische Enduros der Marke Honda spezialisiert, sein momentanes Erstmotorrad ist eine Honda XL 500 mit einem Straßenfahrwerk, Vordergabel vom Nachfolgemodell XL 600 mit Scheibenbremse und getuntem Motor. Das Mopped ist ein Schmuckstück, mit Liebe restauriert. Und Dominik fährt damit wie der Henker.

Und jetzt die zugelaufene GS. Wie das? Ein Bekannter, erzählt Dominik, hat die GS schon seit Jahren herumstehen, und jetzt sind viele Mängel beisammen: Die Bremse ist fest, die Reifen sind runter, das Abgas stimmt nicht, das Federbein schleift am Rahmen, der TÜV ist schon lange abgelaufen. Optisch ist sie auch nicht besonders schön. Die gelbe(!) Sitzbank muss erneuert werden. Dominik hat ein Herz für gefallene Kräder, der Bekannte verkauft sie ihm für „rund 1.000 Euro“, und mit ein paar Tagen Arbeit hat Dominik die Maschine wieder am Laufen. Und ist begeistert vom Fahren.

„Die musst Du mich mal fahren lassen“, meine ich, und Dominik stimmt zu. Er ist bei so was nicht heikel, eine der vielen Eigenschaften, für die ich ihn schätze. Und die Gelegenheit zu einer ausführlichen Probefahrt ergibt sich bereits wenige Tage nach dem erfolgreich absolvierten TÜV-Termin. Am Samstag verabreden wir uns in München, wollen nach Bad Tölz, dort einen Kumpel aus Dominiks XL-500-Schrauberuniversum treffen und dann eine Runde fahren. Dominik will bei der Gelegenheit die neuen Bridgestone-Reifen einfahren, die er auf seine gesuperte XL gezogen hat. Und ich soll die GS fahren. Die hat seit ein paar Tagen neue Reifen (Michelin Anakee), neue Bremsbeläge, neue Stahlflex-Bremsleitungen und frische Bremsflüssigkeit. Der Motor sei gut in Schuss, berichtet Dominik, und die Laufleistung ist auch überschaubar: 54.000 km.

Wir treffen uns am Samstagmorgen in einem Café in München, es regnet in Strömen. Auch nach einer halben Stunde wird es nicht weniger, also machen wir uns auf den Weg. Die GS ist ein Motorrad mit einer Ausstrahlung wie ein Nutzfahrzeug. Die Designer hatten bei der Gestaltung offenbar Pause, die Materialwahl erinnert an vielen Ecken an ein landwirtschaftliches Gerät. Auch mit der Ergonomie muss ich mich erst anfreunden. Das Licht wird – wie in alten Lkw – mit dem Zündschlüssel eingeschaltet, der Seitenständer ist ein grotesk langer Metallhebel, der ellenweit unter dem linken Zylinder durchschwingt und kaum mit dem Fuß auszuklappen ist, wenn man auf dem Mopped sitzt. Über den Zustand des Geräts informieren ein riesiger Tacho mit Schaltmarken und Überdrehwarnungen, ein Plastik-Block mit grotesk großen Warnlampen und ein seitlich angeflanschter, kleiner Drehzahlmesser (aufpreispflichtig). Die Lenkerarmaturen sind enttäuschend: Der Blinkerknopf sitzt zu tief, der Fernlichthebel ist windig. BMW mag einen Ruf wie Donnerhall für perfekte Ergonomie haben – aber mit diesem Motorrad haben sie ihn sich nicht erworben. Aber es gibt auch Gutes zu vermelden: Die an recht kurzen Auslegern befestigten Rückspiegel bieten auch massigen Zweimetermännern gute Rücksicht und vibrieren nicht, der Chokehebel sitzt griffgünstig am Lenker und auf der als folternd unbequem verschrienen Sitzbank sitze zumindest ich sehr angenehm.

Der Start ist ein Erlebnis für sich. Beim Druck auf den Starterknopf orgelt der altersschwache Anlasser, die Lampen flackern, dann erwacht die Maschine mit einem Querschlag zum Leben. Sie poltert und stampft, will mit dem Gasgriff am Leben gehalten werden. Der Anlasser zieht sich mit einem protestierenden Heulton zurück. Alle Warnlampen bis auf die Leerlauflampe gehen aus – der Brocken läuft. Ein kurzer Blick nach unten offenbart ein leichtes Platzproblem: Da wo bei meinem Mopped meine Unterschenkel sitzen, sind bei dieser BMW die Zylinder, dahinter sitzen die beiden großen Bing-Gleichdruckvergaser – und erst dann ist Platz für die Beine. Dominik hatte schon geklagt, dass er den Hebel für die Fußbremse, der unter dem rechten Zylinder sitzt, nur mit der äußersten Stiefelspitze betätigen könne, aber bei mir ist das nicht so schlimm – Schuhgröße 48 hat auch ihre Vorteile. An den Schalthebel kommt man besser ran, doch der erste Gang will nicht reingehen. Das habe ich bei meiner Yamaha auch manchmal, da hilft dann Kupplung kommen lassen und noch mal versuchen. Der Trick klappt bei der BMW nicht, aber nach ein paarmal Treten geht die Leerlauflampe aus, der Gang ist drin.

Beim Rangieren aus der Garageneinfahrt bekomme ich einen ersten Eindruck davon, wieso die GS solch einen guten Ruf hat. Gemessen daran, dass sie genauso viel wiegt wie meine Yamaha, ist sie sehr wendig und lässt sich gut rangieren. Also los in den strömenden Regen, auf den Mittleren Ring. Einmal in Fahrt lässt die GS ihr betagtes Alter und den mittelprächtigen Erhaltungszustand vergessen und verströmt sofort viel Vertrauen. Dem Motor scheint es egal zu sein, ob man jetzt gerade 2.000, 3.000 oder 4.000 Touren drauf hat, er beantwortet jeden Dreh am Gasgriff mit Schub nach vorn. Das Getriebe der GS ist als schlecht verschrien, aber jetzt macht es seinen Job ganz gut. Die Gangwechsel gelingen geräuschlos. Der Motor ist stets präsent, aber statt nerviger, hochfrequenter Vibrationen verbreitet er eine Art pulsierende Dauermassage, an die ich mich gewöhnen könnte. Dabei fahre ich extrem schüchtern: Fremdes Mopped, neue Reifen, strömender Regen, dichter Stadtverkehr – jetzt nix falsch machen. Nach zehn Minuten sind wir auf der A95 in Richtung Garmisch und pflügen mit 120 über die Bahn. Die BMW beginnt, mir Spaß zu machen. Das kleine Windschild am Cockpit und die Protektoren an den Griffen halten mir das Wetter recht gut vom Leib, der Boxer schnurrt, als möchte er so ewig weiterfahren.

Bei Schäftlarn fahren wir ab und wechseln auf die Landstraße. In den Kehren zum Isartal nach Kloster Schäftlarn hinab sammle ich erstes Vertrauen in die Enduro-Reifen und freunde mich mit der Kaltblüter-Charakteristik des Boxers an. Man kann durchaus die Drehzahl in der Kurve auf 2.000 fallen lassen und verhungert nicht am Kurvenausgang sondern zieht mit angenehmem Schub aus der Kurve. Der große Hubraum verhilft dem Motor zu einer ordentlichen Bremswirkung, so dass ich beim Einbremsen in die Kurve mit der Vorderradbremse nur wenig nachhelfen muss. Dann geht es weiter über Nebenstraßen nach Dietramszell, von dort aus nach Bad Tölz. In einem Schnellfress trefen wir Oliver mit seiner roten Honda XL 500, essen einen Burger und fassen in der benachbarten Aral-Tanke Sprit. 24 Liter passen in das Fass der GS, das ist ein Viertel mehr als bei der TDM.

Inzwischen hat es zu regnen aufgehört, die Regenkombi verschwindet im Rucksack, los geht’s. Die beiden Jungs lassen es auf ihren Hondas mächtig krachen und wieseln über kurvige Nebenstraßen. Ich versuche dranzubleiben und gebe der BMW die Sporen. Dabei wird der Unterschied in der Motorcharakteristik zur Yamaha TDM 850 deutlich: Die BMW schöpft 60 PS aus 980 ccm, die Yamaha holt 78 PS aus 850 ccm heraus – das geht nur über mehr Drehzahl: Die Maximalleistung des BMW-Boxers liegt bei 6.500/min an, die Yamaha muss man bis 7.500/min drehen, damit alle 78 PS am Start sind. Doch viel entscheidender ist der Drehmomentverlauf: Der BMW-Motor liefert sein maximales Drehmoment von 76 Nm bei 3.750/min, die Yamaha liefert mit 81 Nm kaum mehr, aber erst bei 6.000/min. In der Praxis wirkt sich das so aus, dass man mit der BMW im Drehzahlbereich von 3.000 bis 4.500/min gut unterwegs ist, keinen Leistungsmangel spürt – und auch keine Hektik. Und noch eins merke ich an einer Vorfahrtsstraße: Die Bremse ist arg knapp dimensioniert. Eine relativ kleine Scheibe vorn, nicht gelocht, und an der Hinterhand eine Trommel, das ist nicht viel für ein 210-Kilo-Krad mit einem Dreizentnermann drauf. Dominik kennt das Problem: „Das ist keine Zweifingerbremse, da brauchst Du schon die ganze Hand.“

Dafür kann das Fahrwerk glänzen: Souverän bügelt die BMW Unebenheiten und Schlaglöcher aus, entschärft Fugen und Frostaufbrüche. Mit dem breiten Lenker hat man das Mopped besser in der Hand als die TDM mit ihrem Serienlenker. Allerdings fällt mir bisweilen ein leichtes Tänzeln an der Hinterhand auf, nicht beunruhigend, aber es ist da. Ich schiebe das auf die etwas indifferente Charakteristik der Anakee-Reifen mit ihren Stollen, Dominik vermutet, dass das White-Power-Federbein im Heck daran schuld ist, dessen Federbasis haben wir nicht auf mein Gewicht eingestellt. Das Charakteristikum, das der Boxer-BMW den Beinamen „Gummikuh“ eingebracht hat, ist bei dieser GS kaum noch zu spüren: Früher sorgte das Drehmoment beim Gasgeben im Kardan dafür, dass sich die Maschine dann hinten aus den Federn hob – beim Gaswegnehmen sackte sie dafür hintenein und setzte bei großen Schräglagen auf. Die R100GS ist die erste BMW, bei der man dieses Aufstellmoment durch eine Abstützung nahezu eliminiert hat. Auch eine andere Eigenheit, von der Dominik mir erzählt hatte, fällt mir zunächst nicht auf: Das Eigenleben des Boxermotors bei Lastwechseln. Im Gegensatz zu fast allen anderen Motorradmotoren liegt beim BMW-Boxer die Kurbelwelle in der Längsachse des Motorrades. Gibt man kräftig Gas, bekommt der Motor, und damit das ganze Motorrad, einen Drehimpuls nach links, nimmt man schlagartig Gas weg, ruckt der Motor in die andere Richtung. Ich bin von der TDM relativ harsche Lastwechsel gewohnt, deshalb habe ich mir offenbar abgewöhnt, das Gas schlagartig aufzureißen oder zuzudrehen. Deshalb empfinde ich auch das Eigenleben der BMW bei Lastwechseln als überaus gutmütig. Erst als ich in einer Kurve einmal plötzlich vom Gas gehe und danach wieder Stoff gebe, merke ich, was Dominik gemeint hat: Es fühlt sich an, als sei das Hinterrad über eine Längsfuge gerollt und habe versetzt.

Mittlerweile sind wir kurz vor Garmisch in Richtung Reutte abgebogen. Vor uns liegt die wunderbar kurvige Strecke über Schloss Linderhof und am Ufer des Plansees entlang. Das Wetter ist mittlerweile perfekt, wir lassen es fliegen. BMW ist für seine mäßigen Motorradgetriebe berühmt, und die GS macht da keine Ausnahme. Die Wege sind lang, die Gänge rasten unpräzise ein, besonders das Herunterschalten in den zweiten Gang will oft nicht klappen. Erst später begreife ich, dass man das BMW-Getriebe einfach härter treten muss als die Yamaha-Schaltbox, die ebenfalls nicht ein Muster an Schaltkomfort ist. Hinter Reutte biegen wir ab in Richtung Fernpass, den wir aber in Bichlbach schon wieder verlassen, denn hier kommt der Höhepunkt unserer Tour, das Namlos-Tal. Kurve reiht sich an Kurve, das Wetter ist perfekt und die BMW kann zeigen was sie drauf hat. Souverän zieht sie in die Kurven, das Drehmoment selbst aus niedrigen Drehzahlen reicht aus, um einen aus jeder Serpentine wieder rauszuziehen. Allein die Stollenreifen finde ich etwas indifferent, hier hätte ich lieber die Pilot Road 2 von meiner TDM. In Rinnen gibt es eine Baustelle, über mehrere hundert Meter ist die Straße unbefestigt. Ernsthaftes Gelände ist das nicht, aber die GS pflügt komplett unbeeindruckt über die Kiespiste, meine TDM würde jetzt rumeiern. In Stanzach ist die Namlos-Straße zuende, wir kehren ein und essen Mittag. Oliver, der offenbar glaubt, die GS sei meine, ruft mich auf, ich sollte mich in den Kurven durchaus was trauen, „die GS kannst Du in die Kurve legen, bis hinten der Gepäckträger aufsetzt.“ Erst als ich ihm erkläre, dass die Maschine nicht mir gehört und ich sie heute das erste Mal fahre, hat er ein Einsehen. Grundsätzlich klappt die Verständigung mit den Jungs prima. Sie fahren voraus – und warten einfach alle 20 Kilometer mal eine Minute auf mich.

Nach dem Essen geht es zurück in Richtung Namlos. In der vierten Kurve sehe ich die Kollegen plötzlich am Rand stehen, zusammen mit ein paar anderen Motorradfahrern. Eine BMW K1200S ist aus der Kurve geraten, den mit Moos bewachsenen Fels hochgefahren, drei Meter über der Straße umgekippt und liegen geblieben. Der dazugehörige Fahrer ist aufgeregt, aber so gut wie unversehrt, nur eine leichte Schürfwunde am Schienbein zeugt vom Bodenkontakt. Mit gemeinsamen Kräften schaffen wir die schwere Tourenmaschine wieder nach unten und richten sie auf. Auf den ersten Blick sind die Schäden übersichtlich: Bremshebel verbogen, eine Gummileiste abgerissen, ein paar Kratzer in der Verkleidung. Glück gehabt, das hätte auch anders ausgehen können. Danach, so berichten mir Dominik und Oliver später, sind sie auch erst mal betont vorsichtig weitergefahren.

Zurück geht es wie auf dem Hinweg, die Fernpass-Bundesstraße bis kurz vor Reutte, dann am Plansee lang und bis nach Garmisch. Von dort aus fahren wir über die B2 in Richtung Krün und Wallgau. Kurz vor Krün plötzlich Polizei auf der Straße, sie halten uns an, wir sind uns keiner Schuld bewusst. Die Beamte schauen auf unsere Nummernschilder und winken uns durch – offenbar haben sie andere Motorradfahrer gesucht als uns. Hinter Wallgau biegen wir ein in die Mautsraße nach Jachenau. Ich wäre gern den Kesselberg gefahren, doch Oliver muss noch bis nach Rosenheim, deshalb unser Abzweig nach Osten. Inzwischen ist es bereits 18 Uhr, ich mache mir Sorgen, dass sich meine Frau Sorgen macht. Anrufen kann ich sie nicht, im Wald habe ich kein Netz.

Über 300 Kilometer bin ich jetzt mit der GS gefahren. Langsam gewöhne ich mich an ihre Eigenheiten. Alles muss ein bisschen nachdrücklicher gehen: Der Motor springt nur an, wenn man beim Starten einen ordentlichen Gasstoß gibt, das Getriebe verlangt einen festen Tritt, damit der erste Gang drin ist, bei der Vorderradbremse kann man ruhig etwas reinlangen. Die Hinterradbremse, die ich bei der TDM fast immer aus Gewohnheit etwas mittrete lasse ich bei der BMW fast völlig in Ruhe. Erstens ist ihre Wirkung recht übersichtlich, zweitens komme auch ich kaum an das Pedal heran. Und die GS nimmt die feste Hand nicht übel. Sie ist halt ein Traktor, sie kann das ab.

In Bad Tölz trennen sich unsere Wege, Oliver biegt in Richtung Rosenheim ab, Dominik und ich fahren zurück nach München. Auf den restlichen 50 Kilometern kenne ich fast jeden Meter – die Strecke von Tölz über Dietramszell, Egling, Deining und Schäftlarn ist meine Hausstrecke. Ich merke aber auch, wie meine Konzentration langsam nachlässt. Jetzt auf den letzten Kilometern nicht noch Scheiße bauen.

Zurück bei Dominik, Umsteigen auf die TDM. Jetzt wird der Kontrast zur GS überdeutlich: Auf der TDM sitze ich quasi eingemauert zwischen Tank und Sitzbank, auf der GS kann ich hin- und herrutschen. Gemessen am kernigen Boxer läuft der Paralleltwin der TDM wie ein Elektromotor, dreht geschmeidig hoch und entwickelt dort, wo der BMW langsam die Puste ausgeht, erst richtig Druck. Erst als ich das TDM-Getriebe schalte, fällt mir wirklich auf, wie schlabberig sich doch der Gangwechsel bei der GS anfühlt. Und die Bremsen der TDM sind einfach eine andere Liga. Interessant, dass sich haufenweise TDM-Fahrer die Bremsen des Yamaha-Supersportlers R1 an ihre Maschine bauen – es scheint also noch eine dritte Liga zu geben, die ich noch nicht ausprobiert habe.

Eine GS mit ordentlicher Bremse und schöneren Instrumenten, das wär’s. BMW hatte bis Mitte der 90er ein solches Motorrad im Programm, die R100R. Sie wird hoch gehandelt, unter 5.000 Euro gibt es selten eine schöne Maschine zu kaufen. Wohl gemerkt, wir reden von einem Motorrad, das im besten Falle 15 Jahre alt ist und 50.000 km auf der Uhr hat. Oder gleich eine R1100GS, die erste GS mit Vierventil-Boxer, mit Telelever-Vorderradaufhängung, mit ABS und dem berüchtigten elektrischen Bremskraftverstärker? Vielleicht sollte ich mal eine Probe fahren.

Update: Inzwischen habe ich erfahren, dass der umstrittene elektronische Bremskraftverstärker, der unter dem Namen "Integral ABS" von BMW verbaut wurde, nicht in der R1100GS eingesetzt wurde, sondern erst ab 2002 im Nachfolgemodell R1150GS angeboten wurde. Unter vielen GS-Fahrern gelten deshalb die R1150GS-Modelle, die vor dieser Zeit, also zwischen 1999 und 2001 gebaut wurden, als die besten Offerten.

Donnerstag, 7. Mai 2009

Unterschreiben gegen "Zensursula"

Seit dem 22. April ist eine Petition gegen die gesetzlichen Maßnahmen der Bundesregierung zum Kampf gegen Kinderpornografie online. Die Petition verfolgt das Ziel, die von der regierung angekündigten Maßnahmen rückgängig zu machen. Die als "Kinderpornografie-Sperrverfügung" bekannt gewordene Maßnahme haben unserer überaus umtriebigen Familienministerin von der Leyen einen neuen Vornamen eingebracht: "Zensursula"

Bis heute haben 44057 Menschen die Petition unterzeichnet - ich auch. Damit ist sie die bislang mit Abstand erfolgreichste Online-Petition, die beim Bundestag eingereicht wurde.

Warum haben wir unterschrieben? Sind wir etwa für Kinderpornografie? Wollen wir etwa unsere heldenhafte Familienministerin in ihrem Kampf um die Kanzlerkandidatur gegen Kinderpornografie nicht unterstützen?

Nein, aber darum geht es gar nicht. Es geht um folgendes:

Die so genannte Sperrverfügung soll gesetzlich verankert werden, und zwar über eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Darin wird festgelegt, dass das BKA täglich eine Liste mit Websites zusammenstellt, die allen Internet-Zugangsprovidern mit mehr als 10.000 Kunden zugesandt wird. Diese Zugangsprovider müssen ihren Kunden den Zugang zu diesen Websites sperren. Ruft ein Internet-Nutzer eine solche Seite auf, dann bekommt er einen Hinweis, dass diese Seite gesperrt ist. Versucht er, diese Sperre zu umgehen, macht er sich strafbar.

Den Menschen, die kinderpornografisches Material erstellen und auf Internet-Servern speichern, passiert nichts. Obwohl diese Server fast immer in Ländern stehen, in denen Kinderpornografie verboten ist. Man könnte also die Server abschalten und ihre Betreiber belangen. Man könnte auch die Identitäten derjenigen ausforschen, die das Material liefern - und so eventuell tatsächlich gepeinigten Kindern helfen.

Aber das will Zensursula nicht.

Sie will eine schnelle populistische Maßnahme durchziehen, von deren Wirkung niemand etwas mitkriegen wird, denn schließlich dürften fast alle von uns weder Kinderpornos erstellen noch sich welche freiwillig anschauen. Experten warnen seit langem davor, dass der von der Regierung angestrebte Weg zudem nicht funktioniert. Wer auf einen Server zugreifen will, kann dies auch dann tun, wenn der Provider den direkten Zugang sperrt. Zensursula weiß das, aber es ficht sie nicht an. Nicht vergessen: Wir haben Wahljahr.

Und jetzt kommt das kleine, schmutzige Detail: Wäre es Zensursula tatsächlich darum gegangen, Kinderpornografie im Internet einzudämmmen, dann hätte sie die Speerverfügung in ein eigenes Gesetz gegossen, in dem ausdrücklich festgeschrieben wird, dass nur Seiten blockiert werden müssen, die kinderpornografisches Material enthalten.

Doch das hat sie nicht getan.

Die Änderung des TKG etabliert einen Workflow, der es dem BKA erlaubt, auch andere Seiten zu blockieren, von denen das BKA meint, dass sie Gesetzen zuwider laufen. Rechtsradikale Seiten. Linksradikale Seiten. Gambling-Seiten, Musik-Download-Börsen...

Das wäre dann Internet-Zensur.

Und deshalb haben bis heute mehr als 44.000 Menschen die Petition gegen die Indizierung und Sperrung von Internetseiten unterschrieben. Bei 50.000 Unterschriften muss der Bundestag sich mit der Petition befassen. Stellt Euch vor, was passiert, wenn 500.000 Unterschriften zusammenkommen. Deshalb reihe ich mich ein in die große Gruppe derer, denen am Internet etwas liegt und die dazu aufrufen, diese Petition zu unterschreiben.

Übrigens: Natürlich bin ich gegen Kinder-Pornografie, egal ob im Internet oder anderswo. Auch 1&1, Deutschlands größter Internet-Provider ist dagegen. Ich kenne viele leitende Manager von 1&1 aus persönlichen Gesprächen, man kann ihnen das bedenkenlos glauben. Dennoch ist 1&1 nicht zufrieden mit der Änderung des TKG. Natürlich wird das Unternehmen gesetzlichen Bestimmungen Folge leisten. Doch bei 1&1 ist man davon überzeugt, dass die Sperrverfügung kein geeignetes Werkzeug ist, um Kinderpornografie im Internet und anderswo wirksam einzudämmen. In der nächsten Ausgabe der INTERNET WORLD Business (sie erscheint am 11. Mai) kommentiert Frank Vogler, Leiter der Rechtsabteilung von 1&1 das Vorgehen der Regierung. Schaut mal rein, es ist interessant.

New York, New York

Es gibt Städte, die sind eine Reise wert. Und wenn es zeitlich noch nicht geklappt hat mit New York - und man vielleicht die blöden Immigration Officers am Flughafen dick hat - dann kann man sich diese wunderschöne Stadt ja auch ausnahmsweise einmal am Bildschirm zu Gemüte führen

Dienstag, 5. Mai 2009

Man kommt zu nix

Auf einen Segeltörn würde ich gern mal wieder gehen. Oder wenigstens einen nachmittag auf dem Ammersee in einem kleinen Kajütboot rumsehgeln. In Istrien, wo dieses Bild am vergangenen Sanstag entstanden ist, wäre ich gern noch etwas länger geblieben, Bärbel sicherlich auch. Ich müsste mehr Fahrrad fahren, viel mehr um genau zu sein. Ich müsste endlich mal die Auspuffanlage meiner Yamaha abschleifen und neu lackieren, bevor sie endgültig durchrostet. Dazu müsste ich sie aber abschrauben, und dabei wird die Dichtung am Sammler kaputtgehen. Also müsste ich, bevor ich die Anlange abschraube, erst einmal diese blöde Dichtung besorgen. Eigentlich stünde auch wieder ein wirklich heftiger Hausputz an, obwohl ich dazu überhaupt keine Lust habe. Und ich müsste meine eine Hose, wo mir an der Seite diese Naht aufgegangen ist, zur Schneiderin bringen, damit sie sie näht. Ich müsste mal meine letzten nennenswerten 20 Artikel der VG Wort melden. Und meine Website mal wieder auf Vordermann bringen. Und mindestens ein Dutzend nette Menschen besuchen, die ich lange nicht mehr besucht habe.
Aber irgendwie kommt man ja zu nix.