München, Blumenstraße 17, direkt am Altstadtring: Wir stehen vor dem Showroom von Tesla Motors, einer der jüngsten und innovativsten Autofirmen der Welt. Das Lokal, in dem vorher ein Designermöbel-Laden saß, ist gerade groß genug, um drei Tesla Roadster ansprechend zu präsentieren - bislang das einzige Produkt des 2003 gegründeten Unternehmens. Die Münchner Niederlassung gibt es bereits seit September 2009, obwohl ihre Adresse noch nicht Eingang auf die
Tesla-Website gefunden hat. Ich bin eingeladen zu einem Get-Together. Anlass ist die Präsentation des verbesserten Modells 2.5, außerdem ist Tesla gerade an die Börse gegangen. Warum genau ich eingeladen wurde, weiß ich nicht. Vielleicht, weil ich auf Twitter
Zero Motorbikes folge, den kalifornischen Elektromotorrad-Pionieren. Vielleicht auch, weil ich im Frühjahr 2009 in der Mittagspause Craig Davis, den Europachef von Tesla Motors, über den Weg lief. Er stand auf dem Parkplatz vor dem Sofitel Bayerpost in der Münchner Innenstadt neben einem Tesla Roadster mit britischer Zulassung - und suchte nach einer Steckdose, um sein Fahrzeug wieder aufzuladen. Wir tauschten Karten aus, ich sagte, ich würde gern mal einen Tesla probefahren, er versprach, an mich zu denken, sobald man in München eine Niederlassung habe. Er hat mich offenbar nicht vergessen.
Sarah Zimmermann, die deutsche Tesla-Pressefrau nimmt mich in Empfang. Sie freut sich sehr, dass ich gekommen bin, wir machen zwei Minuten Smalltalk, bevor ich konkret werde: Ich will eine Runde drehen, deshalb bin ich hier. Sie mustert mich von oben bis unten und schlägt eine Sitzprobe vor. Der Vorführwagen parkt neben dem Showroom und hängt an einer Strom-Tanksäule, die die Münchner Stadtwerke hier werbewirksam hingebaut haben.
Der Tesla Roadster basiert auf der Lotus Elise (englische Autos sind immer weiblich), er wird auch in England bei Lotus gebaut. Doch während die Elise von einem frisierten Toyota-Vierzylindermotor angetrieben wird, besitzt der Tesla Roadster einen Elektroantrieb. Warum Tesla-Gründer Elon Musk sich für den knackigen - und von praktischem Nutzwert weitgehend befreiten - Sportflitzer Elise als Basis für sein Elektro-Auto entschieden hat, wird deutlich, wenn man etwas über die Philosophie hinter dem Projekt liest. Musk hat nämlich ganz richtig analysiert, dass alle bisherigen Elektrovehikel nichts waren, was man mit Begriffen wie "Fahrspaß" assoziieren würde. Ein
City-EL oder ein
Twike, um mal zwei Vertreter der aktuellen, deutschen Elektromobilität zu nennen, tragen nämlich ein Riesen-Problem mit sich herum: Sie kombinieren den Preis für ein vollwertiges Auto der Golf- bis Passat-Klasse mit dem Nutzwert eines Motorrollers und dem Aktionsradius einer Straßenbahn. Bei rollenden Verzichtserklärungen wie den genannten beiden Modellen steht der Verdacht im Raum, dass sie sich an Leute wenden, die im Grunde nicht gern Auto fahren und dies eigentlich am liebsten vermeiden würden. Der Twike ist gar gegen Aufpreis mit Fahrradpedalen lieferbar - politisch korrekter geht es gar nicht mehr.
Das Auto, das Musk im Sinn hatte, sollte anders aussehen: Es sollte Spaß beim Fahren machen, und dabei seinem (wohlhabenden) Besitzer ein ökologisch reines Gewissen bereiten. Ein Tesla Roadster in Grundausstattung kostet in Deutschland knapp 100.000 Euro. Dafür bekommt man etwa drei Twikes - aber noch nicht mal einen
Audi R8, dessen Preis geht bei gut 120.000 Euro los. Ich erwähne den Audi nicht ohne Grund, denn einer der Gäste hat seinen R8 direkt vor dem Tesla-Showroom geparkt.
Die 100.000 Euro sind beim Tesla nur der Anfang, klärt mich Frau Zimmermann auf, als wir zum gelben Vorführwagen gehen. "Der hier kostet wohl eher 130.000." schätzt sie und verweist auf die zahlreichen verbauten Carbonteile. Dann folgt die Sitzprobe - und eine herbe Enttäuschung: Der Wagen ist innen definitiv zu eng, als dass ich ihn fahren könnte. Wer schon einmal im Mazda MX5 der ersten Generation gesessen hat, weiß, was ich meine: Bis 1,85 geht alles problemlos, aber für Zweimetermänner ist das Auto nicht gemacht. Mühsam falte ich mich auf dem Beifahrersitz zusammen, das nicht vorhandene Dach erweist sich als ausgesprochen nützlich beim Ein- und Aussteigen. Frau Zimmermann übernimmt das Steuer, überprüft den Ladezustand - und steigt noch einmal aus, um das Ladekabel auszustöpseln. Eine Warnleuchte im Cockpit hat sie gewarnt.
Eine Fahrt in einem Elektroauto ist - vor allem bei niedrigen Geschwindigkeiten - eine sehr leise Sache. Als sich meine Fahrerin in den Verkehr auf dem Altstadtring einfädelt, hört man schlicht gar nichts vom Antrieb. Bei langsamer Stadtfahrt klingt der Tesla wie ein normaler Pkw, bei dem man den Motor während der Fahrt abgeschaltet und ausgekuppelt hat. Dann demonstriert Frau Zimmermann die Besonderheit dieses Autos: Sie gibt Vollgas (darf man Gas sagen in einem Elektroauto?).
Jetzt passiert etwas, das ich noch nie in einem Kraftfahrzeug erlebt habe: Der Wagen schießt, völlig ansatzlos, ohne jede Vorwarnung, nach vorn. Mein Kopf wird nach hinten gegen die Kopfstütze gepresst. Die Werksangaben weisen eine Beschleunigung von 0 auf 100 in rund vier Sekunden aus. Vier! Potent motorisierte Motorräder beschleunigen in 3,5 Sekunden von 0 auf 100, mit einem zu allem entschlossenen Testfahrer am Lenker, dem es egal ist, wie lang die Reifen halten und ob die Kupplung bald ausgewechselt werden muss. Frau Zimmermann macht das einfach so. Sie hat ein luftiges Sommerkleidchen an und trägt Stöckelschuhe dazu. Und jetzt sind wir um eine Ecke gebogen, es sind wieder 200 Meter freie Straße zu sehen, und sie tritt wieder drauf. Zooom!
Diese Beschleunigung wirkt völlig surreal. Würde man mit einem Motorrad, einem Ferrari oder irgendeinem anderen Gerät, das auch nur entfernt so gut zieht, dermaßen heftig in der Stadt beschleunigen, allein das Gebrüll des Motors würde einen zum asozialen Arschloch stempeln. Doch der Tesla brüllt nicht. Unter Last ist ein dezentes Singen zu vernehmen, es erinnert an den Dienstwagen von Mr. Smith und Mr. Jones in "
Men in Black", der pfiff auch immer so schön. Interessanterweise kostet diese spektakuläre Fahrweise gar nicht so viel Energie, wie man meinen möchte: Sobald Frau Zimmermann vom Gas geht, wird der Motor zum Generator und speist den durch die Bewegungsenergie erzeugten Strom zurück in die Akkus. "Ich trete in der Stadt so gut wie nie auf die Bremse" bemerkt meine blonde Fahrerin ungerührt "Die Bremsbeläge halten ewig".
Abgesehen von dem nicht vorhandenen Platzangebot verläuft die Fahrt überraschend kommod. Ein Schaltgetriebe hat der Tesla nicht, also auch keine Schaltrucke. Und sein Gewicht von 1240 Kilogramm lässt den flachen Roadster ziemlich satt über die frostbruchgeplagten Münchner Altstadtstraßen gleiten. Zum Vergleich: Sein Benzin-Pendant Lotus Elise wiegt 740 kg und federt knallhart wie ein Rennwagen. An einer Ampel hält tatsächlich ein Fahrradfahrer neben uns und fragt, wo wir dieses Auto her hätten, er lächelt dabei interessiert.
Der Tesla Roadster fährt nicht nur Kreise um all die verschämten Öko-Mobile, die es bislang mit Elektroantrieb gab, er hat auch eine überraschend üppige Reichweite, die sich durch verschiedene Energie-Modi steuern lässt. Der Cruising-Modus ist zum Beispiel dazu da, "wenn man mal von München nach Zürich fahren möchte" - laut Google Maps sind das 320 Kilometer. Der Energiespeicher des Wagens besteht aus mehreren tausend konventionellen Lithium-Zellen, wie sie auch in Laptop-Akkus Verwendung finden. Der Großteil des Firmen-Know-hows steckt in der Methode, wie diese Zellen gekühlt und in ihrer Ladung ausbalanciert werden. Ihren Namen verdankt die Firma übrigens dem neu entwickelten Motor des Wagens. Er läuft mit Wechselstrom - erfunden von
Nikola Tesla.
Die Probefahrt geht zu Ende, ein letzter Beschleunigungsboost, dann stöpselt Frau Zimmermann das Ladekabel wieder an. 32 Ampére liefert die Stromtankstelle der Stadtwerke, damit ist ein komplett leerer Akku nach acht Stunden wieder voll - an einer normalen, mit 16 A abgesicherten Haussteckdose dauert eine Komplettladung 16 Stunden. Wer will, kann sich in seine Garage einen speziellen Starkstrom-Anschluss legen lassen und dann den Tesla-Akku mit 64 Ampére befüllen, dann ist der Wagen bereits nach vier Stunden bereit für einen Trip in die Schweiz.
Der Tesla Roadster ist ein Spielzeug für reiche Leute - seit Anlauf der Produktion im Jahr 2008 wurden weltweit 1200 Autos ausgeliefert. VW macht sowas an einem Vormittag, aber Maybach wäre sicherlich froh über solche Verkaufszahlen. Und: in Monaco hat Mann mit einem Tesla vermutlich bessere Karten beim anderen Geschlecht als in einem doppelt so teuren Ferrari. Alle reichen Leute, die sich dieses Spielzeug heute kaufen, finanzieren damit Teslas nächstes Projekt: Das
Model S, eine elektrisch betriebene Limousine mit bis zu sieben Sitzen, zum Preis eines ordentlich ausgestatteten 5er BMW.
Frau Zimmermann, wenn der da ist, dann rufen Sie mich an, ja?