Sonntag, 28. Juni 2009

Do You Poken?

RFID-Chips (Radio Frequency Identification) haben - vor allem in Deutschland - ein Imageproblem: Sie erlauben den gläsernen Menschen/Kunden/Konsumenten. Dass man diese Technik auch sehr spaßig-kreativ einsetzen kann, zeigt der Poken. Ein Poken ist eine kleine Pastikfigur mit einer stilisierten, zum Gruß erhobenen Hand. Der Poken ist so klein, dass er problemlos in eine Streichholzschachtel passt - aber dafür ist er nicht gebaut: Man soll ihn gut sichtbar um den Hals tragen, zum Beispiel am Lanyard, jedem breiten Schlüsselband, ohne das man auf keiner Konferenz mehr auskommt, weil daran das Namensschild hängt.

Lernt man auf der Konferenz/der Party/dem Meeting/dem Barcamp jemanden kennen, der ebenfalls einen Poken um den Hals trägt, dann "pokt" man sich - man legt die beiden Poken Handfläche an Handfläche gegeneinander - und überträgt so die eigenen Kontaktdaten auf den Poken des anderen, während der eigene Poken die Daten des anderen empfängt. Das dauert nur ein, zwei Sekunden.
Daheim kann man seinen Poken auslesen - und hat die Kontaktdaten aller Menschen, mit denen man sich an dem Tag "gepokt" hat.

Wie geht das technisch?

Das bunte Teil des Poken ist reiner Schmuck, die Technik steckt im weißen Teil: Ein USB-Memorystick mit einem RFID-Chip. Nach dem Kauf des Poken (kostet etwa 15 Euro) muss man ihn aktivieren: Man zieht eine Sicherungslasche aus dem USB-Stecker und steckt den Poken am Notebook an. Anschließend ruft man die Website des Poken auf, nämlich http://www.doyoupoken.com/.

Dort legt man einen Account mit Passwort an und schreibt die Daten auf den Poken, die man anderen Menschen weitergeben möchte, die Handynummer etwa, die E-Mail-Adresse under die URL zu seinem Blog oder seiner Homepage. Auch ein Bild lässt sich speichern.

Diese Information verknüpft die Poken-Website mit der Seriennummer des RFID-Chips im Poken. Treffen sich nun zwei Poken-Besitzer und machen "give me five" mit ihren Poken, dann tauschen die beiden RFID-Chips ihre Seriennummern aus. 64 Seriennummern anderer Poken kann ein Poken speichern, dann muss man ihn entleeren. Wenn man nach der Party den Poken wieder an sein Notebook steckt, dann liest der Computer den Speicher des Poken aus und ordnet den gefundenen RFID-Seriennummern die passenden Profile zu. Fertig. Im Poken steckt außerdem eine Knopfzelle, die ihn mit Strom versorgt und angeblich sechs Monate hält.

Und, war das alles?

Nicht ganz. Die Poken-Erfinder setzen auf die Macht der Social Communities. Deshalb sind die Informationen, die man mit einem Poken überträgt, relativ spärlich - auf mancher Visitenkarte steht mehr drauf. Doch wer beispielsweise einen Account bei Xing oder bei Facebook hat, kann einen entsprechenden Tag setzen, das eigene, gut ausgefüllte Profil ist dann nur noch einen Mausklick entfernt. Außerdem lassen sich die übermittelten Daten auch als Vcard herunterladen und sind so in kürzester Zeit ins eigene Adressregister eingepflegt. Über Funktion und Fehlfunktion des Poken geben verschiedenfarbige Blinksignale Auskunft. Blinkt die Handfläche nach dem Poken grün, ist alles okay.

Der Ghost-Modus

Wer sich nicht sicher ist, ob er einem Fremden mit einem Poken um den Hals seine Kontaktdaten überlasen will, der kann einen Trick anwenden: Einfach zweimal auf den Knopf in der Handfläche des Poken drücken, und für die nächsten 30 Sekunden ist der Poken im "Ghost-Modus. Das bedeutet: Später am Computer bekommt man zwar die Daten des Fremden angezeigt, der sieht auf seinem Computer aber nur einen leeren Platzhalter. Erst wenn man beschließt, dass der Fremde ein Freund werden soll, und seine Daten freigibt, erscheinen sie auf dem Computer des anderen. Allerdings: Für Klemmis sind Pokens nix. Wer immer nur im Ghost Mode herumpokt, muss sich nicht wundern, wenn andere das auch tun - und dann kann man das mit dem Poken auch gleich sein lassen. Wesentlich praktischer am Ghost Mode finde ich die zweite Variante: Das Verwalten mehrerer Identitäten. Man kann seinen Poken so einstellen, dass man zum Beispiel eine berufliche und eine private Identität hat. Pokt man ohne Klicken, bekommt der Empfänger die beruflichen Kontaktdaten, nach einem Doppelklick auf den Knopf bekommt er die privaten Daten.
Mal ehrlich: Braucht man das?

Ganz ehrlich: Nein. Aber was braucht man schon wirklich, wenn wir ehrlich sind?
Ich hoffe jedenfalls, dass sich die Dinger durchsetzen und die lästigen Visitenkarten überflüssig machen.

Samstag, 27. Juni 2009

Isar gut gefüllt

Gefühlt regnet es in München seit Monaten, tatsächlich war die letzte Woche besonders schlimm. Der Isar sieht man den Dauerregen deutlich an, der Wasserpegel ist vielleicht noch einen halben Meter von einem ernsthaften Hochwasser entfernt. Das Bild zeigt die Wittelsbacher Brücke. Für die nächsten Tage sind weitere Regenfälle vorhergesagt.
Stay tuned.

In Memoriam Michael Jackson (29.8.1958 - 25.6.2009)

Mittwoch, 24. Juni 2009

Wer ignoriert hier wen?



Dieses Blog läuft auf Blogger.com, einer Community, die zu Google gehört. Wie bei nahezu allen Google-Applikationen git auch für Blogger.com: Der Service ist praktisch, leicht zu bedienen, hat nette Extras und kostet nix. Und man fragt sich, wie viele Daten man Google noch liefern soll. Heute ist mir etwas Merkwürdiges aufgefallen: Sucht man auf Google nach Zonenblog, findet man dieses Blog sofort - es ist auf Platz 2 im Natural Ranking (vor einiger Zeit war es sogar auf Platz 1). Sucht man dagegen nach diesem Stichwort in den schärfsten Konkurrenzprodukten von Google, nämlich auf Microsoft Bing oder auf Yahoo, dann wird die Seite überhaupt nicht gefunden - zumindest nicht auf den ersten zehn Seiten.

Wie kann das sein?

Nun gut, natürlich gibt es größere und ältere Seiten als Zonenblog.de, aber dieses Blog kommt jeden Monat auf knapp 1.000 Unique Visitors und ist seit rund einem Dreivierteljahr im Netz. Außerdem finden die Google-Konkurrenten mit müheloser Leichtigkeit alle möglichen Websites, in denen Zonenblog.de erwähnt wird, zum Beispiel Beiträge von mir in Newsgroups - ich verweise seit ein paar Wochen in meiner Usenet-Signatur auf Zonenblog. Auch auf der Startseite meiner Homepage Kemperzone.de verweise ich auf Zonenblog, nur hat diese Homepage die Funktion einer reinen Web-Visitenkarte und bringt es allenfalls auf einen Bruchteil des Traffics, den Zonenblog realisiert. Auf dieses Blog wird mittlerweile sogar von Dritten verlinkt - all diese Verlinkungen finden die Suchmaschinen von Microsoft und von Yahoo mühelos - nur die Seite selbst wird nicht gelistet.

Auch auf Cuil und auf Alltheweb fehlt Zonenblog.de in der Ergebnisliste. In der deutschen Metasuchmaschine Metager und in Fastbot.de werde ich dagegen sofort fündig - aber diese beiden Engines verwenden meines Wissens auch Google-Daten. Ein Such-Test mit Marketing-Kitchen, dem Blog von Bärbel Edel, bringt dasselbe Ergebnis: Auf Google steht die Seite auf Platz 1, in den Indices von Microsoft und Yahoo ist sie nicht existent.

Kann es sein, dass Google seine eigenen Blogger-Seiten für fremde Suchmaschinen sperrt? Weiß jemand eine Antwort?

Montag, 22. Juni 2009

Krise? Welche Krise?

Während in Deutschland noch die Firmen in den Abgrund trudeln, scheint in den USA wieder alles wie geschmiert zu laufen. Goldman Sachs, ehemals eine Investmentbank vom Kaliber der pleite gegangenen Lehman Brothers, könnte 2009 die größten Boni in ihrer gesamten 140-jährigen Geschichte auszahlen, das behauptet zumindest dieser Bericht.

Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Ich weiß nur, dass wir alle nach der Bundestagswahl wieder kräftig mehr Steuern werden zahlen müssen, denn irgendwoher muss die Kohle ja kommen, die unser Finanzminister im Moment mit vollen Händen zum Fenster rauswirft.

Freitag, 19. Juni 2009

Schöne neue Warenwelt

Es gibt sie noch, die echten Innovationen! Diese hier ist die erste in diesem Bereich seit 1880 - ich bin schwer beeindruckt. Eigentlich brauche ich sofort so ein Teil, aber ob die auch Bankeinzug akzeptieren?



(Sound ist eigentlich zwingend erforderlich)

Montag, 15. Juni 2009

Quickmark!


Das ist ein so genannter QR Code, QR von Quick Reaction. In Japan, so habe ich mir sagen lassen, darf ein solcher Code auf keiner Visitenkarte mehr fehlen. Der Verwendungszweck ist einfach: In diesem QR-Code ist eine Information versteckt, und wer ein Handy mit eingebauter Kamera hat, kann ihn abfotografieren und die in ihm verborgene Information lesen. Voraussetzung dafür ist natürlich eine passende Software für die Erkennung von QR-Codes auf dem Handy. Auf meinem Windows-Mobile-Smartphone habe ich einen kostenlosen Reader der chinesischen Firma Quickmark installiert, sie ist kostenlos, man muss sich allerdings vorher registrieren. Auf meinem Handy funktioniert das Lesen von QR-Codes allerdings nur, wenn sie groß genug sind, sonst kommt die Kamera nicht nah genug heran. Auf dem Samsung-Handy von Marketing Cook funktioniert dieselbe Software besser, die Kamera taugt mehr. Hat die Software einen QR-Code entschlüsselt, ruft sie "Quickmark!" und präsentiert das Ergebnis.
So einen QR-Code wie diesen kann man sich übrigens relativ leicht selbst machen: Die Firma Kaywa bietet ein kostenloses Online-Tool an, mit dem man eine URL, eine Telefonnummer oder einen freien Text codieren kann. Meine Erfahrung: Der Text sollte recht kurz sein, sonst wird der erzeugte QR-Code zu komplex, und Lesegeräte wie mein Handy können ihn dann nicht mehr sicher identifizieren.

Sonntag, 14. Juni 2009

Ich weiß genau, wo Du bist!

Überwacht werden - für viele Menschen eine unheimliche Vorstellung. Wer möchte schon, dass sein Chef, sein Lebensabschnittsbegleter oder seine Mutter immer wissen, wo er sich aufhält? Wer ein Handy mit sich herumträgt, der ist grundsätzlich ganz gut zu orten. In Innenstädten beträgt der Radius, innerhalb dessen ein Handy geortet werden kann, wenige hundert Meter. Auf dem Land ist die Messungenauigkeit größer, weil die Funkzellendichte geringer ist. Dennoch gibt es Anbieter, die Eltern eine Ortungs-Software verkaufen, mit der sie die Handys ihrer Sprösslinge orten können. Selbst diese Anwendung kann man durchaus kritisch sehen: Müssen Eltern ihre Kinder jetzt elektronisch überwachen, nur weil das technisch möglich ist? Der Einwand, eine Handyortung könnte im Fall einer Entführung helfen, taugt bei Lichte betrachtet wenig. Wohl kaum ein Kindesentführer wird so dumm sein, das Handy seines Opfers zu übersehen. Vielleicht wirft er es weg, vielleicht schaltet er es auch einfach aus. Und einen Menschen gegen seinen Willen oder ohne sein Wissen zu überwachen, das hat ganz eindeutig etwas von 1984.

So gesehen, ist Google Latitude wirklich von Übel.

Google Latitude ist eine Ergänzug zu Google Maps for Mobile. Google Maps for Mobile ist die Handy-Ausgabe von Google Maps - und das Programm ist so genial, dass in meinen Augen allein die Existenz von Google Maps for Mobile Grund genug wäre, sein Simpel-Handy wegzuschmeißen und sich ein Smartphone mit Internet-Zugang und GPS-Empfänger zu kaufen. Es zeigt einem an, wo man ist, hilft einem bei der Suche nach Adressen, zeigt an, wo in der Nähe die nächste Pizzeria ist und vieles mehr. Wie in der Desktop-Variante kann man bei Maps for Mobile zwischen einer Karten- und einer Sattelitenbilddarstellung umschalten - dann zeigt es einem auch die Lage von Feldwegen in der Pampa, die in keiner Karte verzeichnet sind. Google Maps for Mobile ist eine von diesen "Wow"-Anwendungen.

Und jetzt Latitude. Google Latitude gibt's im Moment nur für Handys, die Desktop-Variante von Google Maps muss ohne diese Erweiterung auskommen. Mit Latitude kann man immer sehen, wo die Freunde gerade sind - und die können es auch sehen. Auf dem Google-Pressebild oben links ist das ganz gut dargestellt: Eine coole Clique von jungen Leuten lebt in einer faszinierenden Stadt, nämlich New York, und mit einem Blick auf das Handy kann man jetzt sehen, dass Steve gerade in der Nähe ist, also schnell anrufen, und man kann sich in der neuen In-Bar treffen. So etwa.

Technisch funktioniert das so: Wer an Google Latitude teilnehmen will, braucht ein Smartphone, auf dem Google Maps läuft. Das Smartphone muss außerdem in der Lage sein, seine Position entweder durch Auswertung der Funkzelle oder über einen GPS-Receiver zu ermitteln. Jeder Latitude-Teilnehmer muss sich mit einem Google-Account einloggen. Dann kann man beginnen, die Gmail-Adressen seiner Freunde einzugeben. Jeder Freund bekommt eine E-Mail, in dem er um Erlaubnis gebeten wird, dass seine Position einem bestimmten Teinehmer angezeigt wird. Sind alle Genehmigungen erteilt, übertragen die Smartphones, auf denen Google Latitude läuft, ihre Position regelmäßig über das Internet an den Google-Server. Er sorgt dafür, dass die Standorte von Latitude-Teilnehmern ihren Freunden angezeigt werden, wenn sie ihrerseits Google Maps auf ihrem Smartphone laufen lassen. Schließen sie die Anwendung, bietet ihnen das Programm an, im Hintergrund weiterzulaufen und die Positionsdaten auch weiterhin zu übermitteln. Im Moment ist das System noch beta, deshalb funktioniert bei mir zum Beispiel die Statusmeldung nicht: Eigentlich kann man zu seinem Symbol einen kurzen Status dazutippen, etwa "in Eile" oder "habe Hunger", aber das klappt bei mir nicht so recht.

Grundsätzlich funktioniert Latitude, aber was fängt man damit an?

Die Vorstellung, einen überbordenden Kreis aus Freunden zu haben, mit denen man andauernd "connected" sein will, erscheint Menschen, die die 30 überschritten haben, als weltfremd. Menschen, die auf Facebook mehrere tausend "Freunde" in der Liste stehen haben, dokumentieren damit nur eins: Dass es grundsätzlich unterschiedliche Ansichten darüber gibt, was man unter einem Freund versteht und was nicht. Auf Xing habe ich rund 200 Kontakte, auf Facebook sind es jetzt knapp 40 "Freunde", Auf Twitter "followe" ich etwa 40 Leuten, mir folgen rund 160 "Followers". Echte Freunde habe ich vielleicht zehn. Und selbst bei diesen zehn echten Freunden, meiner Frau, meinen Eltern wäre es mir eigentlich nicht recht, dass sie immer genau wissen, wo ich bin. Deshalb finde ich an Google Latitude am wichtigsten, dass man es abschalten kann, und zwar global und selektiv. Man kann auch manuell einen Standort eingeben, zum Beispiel, wenn das GPS des Telefons in geschlossenen Räumen nicht funktioniert - oder wenn man nicht genau angeben will, wo man ist. Und man kann einzelne Freunde von der Anzeige ausschließen, ganz nach Belieben.

Es bleibt also persönliche Entscheidung eines jeden Latitude-Teilnehmers, ob er möchte, dass jemand sieht, wo er sich gerade aufhält. Wenn man dies berücksichtigt, dann fallen einem zahlreiche praktische Einsatzmöglichkeiten ein: Motorradfahrer in einer Gruppe könnten zum Beispiel sich gegenseitig freischalten und hätten so einen Überblick darüber, wo die einzelnen Tourteilnehmer gerade stecken. Bei gemeinsamen Einkaufsbummeln könnten Paare sich trennen (sie in den Schuhladen, er zu den Handys) und dann leichter zueinanderfinden. Und bei gewollten Treffen von Freunden ist Google Latitude bestimmt praktisch. Bei der Benutzung sollte man bedenken, dass der permanente Betrieb von Google Maps auf dem Handy den Akku ziemlich schnell leersaugen kann, außerdem werden Datenmengen übertragen, die ins Geld gehen können, wenn man keinen Volumen-Vertrag hat. Wer Bedenken hat, dass Google durch Latitude noch mehr über einen erfährt, als der Konzern ohnehin schon weiß, sollte sich eventuell extra dafür einen Google-Account mit Fake-Anmeldedaten zulegen, dann dürfte der Erkenntnisgewinn in Sunnyvale recht übersichtlich sein.

Das wichtigste ist aber: Wenn sich alle darauf verständigen, dass Google Latitude normalerweise ausgeschaltet ist und nur dann aktiviert wird, wenn es einen speziellen Anlass dafür gibt, dann ist es ein praktisches Tool - und kein 1984 für Arme.

Mittwoch, 10. Juni 2009

Gerade am Flughafen München gesehen: Die Vorbereitungen für die Präsentation des neuen Porsche Panamera. Alles ganz schön groß(kotzig). Stand nicht neulich im Spiegel, dass Porsche kurz vor der Insolvenz stünde? Andererseits: Was sollen sie machen? Die Kiste ist fertig entwickelt, die Produktionsanlagen stehen bereit, das ganze Geld, das man ausgeben kann, bevor das erste Auto verkauft wird, ist ausgegeben. Jetzt heißt es wohl: Augen zu und durch.

Samstag, 6. Juni 2009

Die Sache mit der GS: Reloaded

Was bisher geschah: Ich bin eigentlich ganz gut BMW-gebranded, fahre seit zehn Jahren ein BMW 3er Cabrio, habe dessen Designer schon einmal live interviewt, lebe in der Heimat von BMW und habe dort studiert, wo die BMW-Motorräder gebaut werden. Mein Verhältnis zur BMW-Vertriebsorganisation ist, sagen wir mal, nicht das beste. Die Werksniederlassung, die bis vor etwa acht Jahren das Privileg hatte, an meinem Cabrio schrauben zu dürfen, hat sich dieses Prvileg durch Rechnungen in exorbitanter Höher verscherzt, denen kein entsprechender Arbeitseinsatz gegenüber stand. Und meinen Annäherungsversuchen an die Marke BMW als Motorradlieferant stand schon mehrmals das Desinteresse der Fachberater im Motorradzentrum am Frankfurter Ring im Weg. Dennoch tät mich so eine BMW durchaus anlachen. Neulich ergab sich die Gelegenheit, mit der R100GS eines Kumpels ein paar hundert Kilometer zu fahren. Der Trip machte Lust auf mehr. Dann poppte meine Adresse im Customer-Relationship-Management-Menü des BMW-Außendienstes auf, und man rief mich an und fragte ob ich noch wunschlos glücklich sei. Am Ende des Gesprächs stand eine Einladung zu einer Probefahrt mit einer BMW R1200GS.

Aufmerksame Leser meines Blogs wissen das alles ja bereits.

Heute morgen um zehn soll meine Probefahrt mit der R1200GS stattfinden – um acht fängt es zu regnen an. „Ich könnte mir eine gebrauchte R1150GS oder eine R1200GS vorstellen“, hatte ich der Frau am Telefon gesagt, und sie hatte geantwortet, eine 1200er sei gerade da. Während ich also meine brave TDM 850 durch den Nieselregen gen Norden treibe, frage ich mich, wie alt wohl die Gebrauchtmaschine sein wird, die man für mich reserviert haben. Wäre sie in finanzieller Reichweite? Was würden sie mir wohl für meine TDM noch geben? Nicht träumen, der Ring ist auf 60 beschränkt!

Um viertel vor zehn parke ich meine TDM neben einem chromblitzenden Yamaha-Chopper, vor dem BMW-Motorradzentrum, das seit der Übernahme der Geländemotorradmarke Husquarna beide Marken an der Fassade führt. Die professionell-schöne Blondine am Info-Counter schickt mich durch die Halle: „Probefahrt, bitte dort hinten gleich rechts“.

Dort ist der Schalter der BMW-Motorradvermietung, eine selbstständige Firma namens „bike-travel-service“. Eine Probefahrt mit einem Motorrad läuft offenbar anders ab als mit einem Auto: man bekommt einen Kurzzeitmietvertrag, in dem genau Vorschäden, Selbstbehalt bei Unfällen, Freikilometer und Tankinhalt vermerkt sind. Mal so eben sagen „Die gefällt mir, kann ich damit mal ne Runde drehen“, das läuft nicht, zumindest nicht bei BMW. Man macht mir klar, dass ich im Fall des Unfalls 700 Euro Selbstbehalt habe, dass 100 km frei sind, dass ich die Maschine vollgetankt bekomme – und sie doch bitte ebenso zurückgeben möchte. Doch erst einmal werde ich um Geduld gebeten: Zwei spanische Touristen haben sich schwere Tourer gemietet und brauchen noch etwas Routen-Beratung. „Gehen Sie doch einfach dort rüber und trinken Sie einen Kaffee“ – die BMW-Niederlassung hat ein integriertes Bistro. Ich will keinen Kaffee, sondern ein Mineralwasser – und bekomme es nach Zahlung von 1,60 Euro. Irgendwie haben die bei BMW interessante Methoden der Kundengewinnung, nein wirklich.

Die Maschine: Alles drin, alles dran

Endlich bin ich dran: Führerschein und Perso werden kopiert, ein Vertrag unterschrieben: „Kommen Sie dich schon mal nach draußen, ich hole mal eben die Maschine“ Die R1200GS, die wenige Minuten später gebracht wird, ist keineswegs ein Gebrauchtmotorrad zum Kaufen, es ist eine nagelneue Maschine aus dem Miet-Pool. Wie meine TDM hat diese R1200GS zwei Räder und zwei Zylinder – damit enden die Gemeinsamkeiten dann aber auch schon. Die aktuelle GS hat einen 1200 ccm großen Boxermotor mit 105 PS, das sind 350 Kubikzentimeter und 27 PS mehr als bei meiner TDM – allein die Differenz wäre genug für ein separates Motorrad. Die BMW hat sechs Gänge statt fünf, Kardan- statt Kettenantrieb, Boxer statt Reihentwin. Außerdem ist sie mit Extras vollgepackt: ABS, ASR, FID und ESA. ABS ist klar, ASR ist die Antischlupfregelung, die das Hinterrad am Durchdrehen hindern soll, das Fahrer-Informationsdisplay enthält einen Bordcomputer und eine Ganganzeige. Wirklich cool ist ESA, die elektronische Federeinstellung. Per Knopfdruck am Lenker kann man – bei Bedarf auch während der Fahrt – die Federbasis am vorderen und hinteren Federbein verstellen, etwas, was bei anderen Motorrädern entweder gar nicht möglich ist oder den Einsatz von Werkzeug erfordert. Auf gut deutsch: Runde 15.000 Euro (wenn das mal langt) sind zur Abfahrt bereit.

Groß ist die 12er GS, größer und höher als meine TDM. Der Fahrersitz ist in der höchsten Position, gegen Aufpreis gibt es noch eine höhere Einstellung. Das Aufsteigen ist ungewohnt, aber dann stellt sich spontan ergonomisches Wohlgefühl ein: Ich sitze nahezu perfekt. Wenn das meine wäre, würde ich mir noch die hohe Sitzbank holen und dann würde das passen wie für mich gemacht.

Zwei Stunden Zeit habe ich, um der GS auf den Zahn zu fühlen. Mein Plan: Über den Mittleren Ring auf die A95 in Richtung Garmisch, in Schäftlarn abfahren und dann über Deining und Dietramszell bis nach Bad Tölz. In Tölz umdrehen und auf dem Rückweg nach Westen orientieren, um irgendwo bei Wolfratshausen wieder die Autobahn zu erwischen. Die Strecke kenne ich aus dem Effeff, ich bin sie mit der TDM schon dutzendfach gefahren.

Ich bin startbereit – und ein wenig aufgeregt: Wie fährt sich der große, starke Brocken, und werde ich ihn heil zurückbringen? Doch erst einmal wuchte ich das Gerät vom Hauptständer, woraufhin es weich in die Federn sinkt. Dann der Druck auf den Anlasser: Was bei der 20 Jahre alten R100GS noch ein archaischer Vorgang hart an der Verschleißgrenze der beteiligten Komponenten war, läuft hier seltsam synthetisch ab: Der 1,2 Liter große Motor springt an, schüttelt sich dabei einmal verhalten und fällt daraufhin sofort in einen elektronisch kontrollierten, absolut gleichmäßigen Leerlauf. Klang? Fehlanzeige. Wie meine TDM klingt die 1200GS nicht, sie macht nur ein Geräusch. Und das ist leiser als bei meiner TDM. Derweil unterhält mich das FID mit irritierenden Lichtsignalen: Ein rotes Warndreieck leuchtet auf, wird dann gelb und verlischt – aha, das war wohl irgendein Bordcheck. Daneben ist ein rotes Brems-Warnsignal zu sehen. Das geht aus, sobald man schneller als Schritttempo fährt, das braucht das ABS, um sich zu kalibrieren. Eins ist klar: Wer „Motorradfahren“ mit den Begriffen „klassisch“ und „traditionell“ assoziiert, sollte sich nicht auf eine R1200GS setzen.

Der erste Gang geht nicht auf den ersten Tritt rein, einmal Kupplung auf und zu, dann noch mal versuchen und es geht. So, jetzt die Kupplung kommen lassen und elegant vom Hof. An der Ausfahrt mache ich erste Bekanntschaft mit einem Streitobjekt: Den drei Blinkerschaltern der aktuellen Boxer-Generation. War der Blinkerschalter der alten R100 schlicht scheiße, wollte man hier die ingenieursmäßig perfekte Lösung schaffen und verbaute drei Hebel. Einen Druckschalter an jeder Lenkerseite – links drücken, links blinken – und einen separaten Schalter zum Ausschalten der Blinker. Wenn man erst einmal begriffen hat, in welche Richtung man den Ausschalter drücken muss, kommt man damit klar. Und wenn nicht, auch egal: nach 300 Metern schaltet die BMW die Blinker von allein wieder aus.

Laut und schnell

Auf dem Weg zur Autobahn habe ich erste Gelegenheit, mich an das große Krad zu gewöhnen. Ich sitze bequem, habe alles im Griff, die GS ist die Ruhe selbst. Allerdings, das merke ich schon nach wenigen hundert Metern, ist mir keine Ruhe vergönnt: Das serienmäßige Windschild aus Plexiglas sorgt für heftige Windgeräusche, die ab 70 km/h alle anderen Fahrtgeräusche überlagern. Am Luise-Kiesselbach-Platz geht es auf die Autobahn, ich fühle mich schon recht wohl auf der Maschine. Das lärmende Windschild und die Griffprotektoren halten mir effektiv den Wind vom Leib. Wenige Kilometer später wird die Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben - na, dann wollen wir mal keine Zeit verlieren. Ein entschlossener Dreh am Gasgriff macht deutlich, dass die 105 PS nicht nur im Prospekt stehen: Nach wenigen Momenten habe ich 170 km/h auf dem Tacho. Was auf der TDM schon ein grenzwertiges Vergnügen wäre, lässt sich auf der großen GS durchaus aushalten – mit der Ausnahme, dass die Windgeräusche ohrenbetäubend laut sind. Dann will ich’s wissen und beschleunige auf 200. Auch bei dieser Geschwindigkeit liegt die Maschine stabil wie ein Panzer auf der Straße – und wenige Minuten später kommt die Abfahrt Schäftlarn.

Das Fahrwerk: erste Sahne

Das Fahrwerk der GS wird von den meisten Menschen gelobt und von wenigen kritisiert. Die Telelever-Vorderradführung ist nicht jedermanns Fall: Anders als bei einer normalen Telegabel werden hier die Aufgaben „Federung des Vorderrades“ und „Lenkung“ voneinander getrennt, was unter anderem dazu führt, dass eine GS beim Bremsen vorn weit weniger eintaucht als andere Motorräder. Manchen Motorradfahrern bietet dieses Konzept zu wenig Feedback und macht sie unsicher. Mir geht es anders: Mir vermittelt das Fahrwerk viel Vertrauen, es funktioniert einfach unauffällig. Fährt gut, federt gut, zuckt nicht, zickt nicht. Schlaglöcher und Frostaufbrüche bleiben spürbar, aber sie martern mich nicht mehr. Das Fahren mit einer GS entwickelt etwas Selbstverständliches: Die Maschine fährt da lang, wo der Fahrer es will, leicht und spielerisch, was man angesichts der respektablen Größe des Motorrades zunächst kaum glauben will. Das bereits erwähnte ESA ist dabei das Tüpfelchen auf dem i, aber die Umschaltung der Fahrwerksmodi braucht man nicht unbedingt.

Der Motor: Kein Charakterkopf

Wie das Fahrwerk verschont mich auch der Motor mit Überraschungen: Drehe ich auf, zieht er los, gleichmäßig wie ein Elektromotor. Der Eindruck, den das Triebwerk hinterlässt, ist dennoch merkwürdig synthetisch. Natürlich habe ich immer genügend Kraft in allen Lebenslagen, aber sie wird irgendwie unbeteiligt dargeboten. Und: Der große Boxer braucht erstaunlich viel Drehzahl. Unter 3.000/min sollte man keine Wunder erwarten, bei 6.000 bis 7.000/min ist dann der nächste Gang dran. Die legendäre Kraftentfaltung ab Standgas – dieser Motor hat sie nicht. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass die GS irgendwie auch nicht mehr Bumms hat als meine TDM, bis ich merke, dass ich fast immer 20 Kilometer schneller fahre als es sich anfühlt. Zu diesem Eindruck trägt auch das unauffällige Funktionieren der Peripherie bei: Die Kupplung ist leichtgängig, das Getriebe schaltet sich prima (nur den Leerlauf blind finden ist nicht so einfach), der Motor hält sich mit Lastwechselreaktionen für meinen Geschmack sehr zurück, der Kardan tut sein Werk, ohne dass man was von ihm merkt. Nennt es Klagen auf hohem Niveau, aber irgendwie ist die Abwesenheit von Drehmomentspitzen, Heulen und Wimmern aus dem Kraftstrang und animalischen Lebensäußerungen aus dem Ansaugtrakt auch eins: Ein bisschen langweilig.

Natürlich hat es auch Vorteile, dass alles so schön perfektionistisch gemacht ist: Die Bremsen zum Beispiel sind eine Wucht. Sprechen fein an und lassen das Krad erbarmungslos ankern, wenn es die Situation erfordert. Dabei wirkt die Handbremse auf Vorder- und Hinterrad, die Fußbremse nur hinten. Puristen finden das nicht gut, ich kann keine Nachteile erkennen.

Nachdem ich in Tölz angekommen bin, fahre ich über Hechenberg und Geretsried in Richtung Autobahn, die Zeit wird knapp. Auf der Autobahn in Richtung München fängt es zu regnen an, und obwohl ich mit rund 160 km/h sehr flott unterwegs bin, hält das Windschild erstaunlich viel von der Witterung von mir ab. Zehn Minuten vor Ablauf der Leihfrist fahre ich zum Tanken: 7 Liter habe ich verbraucht und 133 km bin ich gefahren – nicht übel für so ein großes Gerät und die schnellen Autobahnetappen. Die Rückgabe bei BMW nimmt etwas Zeit in Anspruch, die ich mir mit Benzingequatsche mit anderen Verleihkunden vertreibe. Die große GS ist zweifellos ein tolles Motorrad ohne echte Schwächen. Aber etwas emotionaler könnte sie schon sein, vor allem der Motor. Das bestätigen mir auch meine Gesprächspartner. Mehr als den Sprit muss ich übrigens an diesem Tag nicht zahlen, man erlässt mir großzügig die zuviel gefahrenen Kilometer. Wenn man sich eine GS bei BMW für einen ganzen Tag mieten will, kostet das übrigens 135 Euro inklusive Vollkasko und 700 Euro SB. 300 Kilometer sind im Preis inbegriffen, jeder weitere kostet – autsch! – 70 Cent Aufpreis. Das ist happig für ein Motorrad, mit dem man an einem Tag locker das Doppelte fahren könnte.

Epilog

Danach setze ich mich wieder auf meine TDM und fahre heim. Wie fühlt sich eine 17 Jahre alte Maschine mit einem Marktwert von 1.500 Euro an, wenn man vor einer halben Stunde auf einem zehn mal so teuren High-Tech-Wunder saß? Die TDM kann erstaunlich gut mithalten. Der Motor ist laufruhig und kann dennoch an jeder Ampel ein Spektakel entfachen, das dem der GS nicht viel nachsteht. Und die Abwesenheit des Windlärms ist angenehm – hätte ich so eine BMW, müsste ich auf jeden Fall mit dem Windschild was machen. Die Sitzposition auf der TDM ist schlechter als auf der großen GS, die Bremsen sind es auch. Bein jedem Stopp taucht die Yamaha vorn tief ein. Aber, und das ist mein Fazit: Meine TDM 850 ist in der Summe ihrer Qualitäten dichter dran an der nagelneuen R1200GS als an der 20 Jahre alten R100GS, die ich vor drei Wochen fuhr.

Freitag, 5. Juni 2009

Der Kampf gegen Zensur

Als ich in der vergangenen Ausgabe an dieser Stelle den Umgang der Regierung mit den Kritikern des Plans zur Sperrung von Internetseiten kommentierte, hatten rund 85.000 Menschen eine Onlinepetition gegen eine solche Sperre unterschrieben. Inzwischen sind es deutlich über 100.000. Das sind mehr Wähler als zum Beispiel die Mitarbeiter der krisengeschüttelten Opel-Werke, die im Moment den Tagesablauf der Spitzen der deutschen Politik bestimmen. Die Koalition wird sich also mit der Kritik an der geplanten Änderung des Telekommunikationsgesetzes befassen müssen. Und anlässlich des 60. Jahrestags des Grundgesetzes, das staatliche Zensur klipp und klar verbietet, täte die Regierung gut daran, auf die geballte Kritik der Fachkreise angemessen zu reagieren. Denn es ist nicht nur eine diffuse Clique aus Bloggern mit verrückten Ideen und merkwürdigen Frisuren, die da protestiert. Auch die drei wichtigsten Branchenverbände der Informations- und Telekommunikationsbranche (Bitkom, Eco und BVDW) sind sich einig: Die geplante Änderung des TKG öffnet einer staatlichen Zensur des Internets Tür und Tor. Eine gewisse Perfidie liegt in der Tatsache, dass der Kampf gegen Kinderpornografie als Grund dafür genannt wird, einen staatlichen Zensurmechanismus im Internet zu etablieren. Allein der Gedanke an gequälte Kinder ist dazu geeignet, alle Widerworte im Keim zu ersticken. Dabei muss sich Familienministerin von der Leyen gezielte Panikmache vorwerfen lassen. Den von ihr behaupteten Millionenmarkt mit Kinderpornografie im Netz, so sagen Fachleute, gibt es nicht. Und Internetaktivisten wie Alvar Freunde beweisen, wie sich ein Kinderporno-Server effektiv sperren lässt: Eine E-Mail an den Serverbetreiber reicht.

Anmerkung: Dieser Kommentar von mir erscheint am Montag, 8. Juni 2009 in der INTERNET WORLD Business. Dem Vernehmen nach gibt es innerhalb der SPD erste Anzeichen dafür, dass man die Grundrechte der Bürger nicht so leichtfertig für die Profilierungsversuche des ungeliebten Koalitionspartners aufs Spiel setzen will. Das wäre reichlich spät, aber immerhin besser als zu spät.