Freitag, 5. Juni 2009

Der Kampf gegen Zensur

Als ich in der vergangenen Ausgabe an dieser Stelle den Umgang der Regierung mit den Kritikern des Plans zur Sperrung von Internetseiten kommentierte, hatten rund 85.000 Menschen eine Onlinepetition gegen eine solche Sperre unterschrieben. Inzwischen sind es deutlich über 100.000. Das sind mehr Wähler als zum Beispiel die Mitarbeiter der krisengeschüttelten Opel-Werke, die im Moment den Tagesablauf der Spitzen der deutschen Politik bestimmen. Die Koalition wird sich also mit der Kritik an der geplanten Änderung des Telekommunikationsgesetzes befassen müssen. Und anlässlich des 60. Jahrestags des Grundgesetzes, das staatliche Zensur klipp und klar verbietet, täte die Regierung gut daran, auf die geballte Kritik der Fachkreise angemessen zu reagieren. Denn es ist nicht nur eine diffuse Clique aus Bloggern mit verrückten Ideen und merkwürdigen Frisuren, die da protestiert. Auch die drei wichtigsten Branchenverbände der Informations- und Telekommunikationsbranche (Bitkom, Eco und BVDW) sind sich einig: Die geplante Änderung des TKG öffnet einer staatlichen Zensur des Internets Tür und Tor. Eine gewisse Perfidie liegt in der Tatsache, dass der Kampf gegen Kinderpornografie als Grund dafür genannt wird, einen staatlichen Zensurmechanismus im Internet zu etablieren. Allein der Gedanke an gequälte Kinder ist dazu geeignet, alle Widerworte im Keim zu ersticken. Dabei muss sich Familienministerin von der Leyen gezielte Panikmache vorwerfen lassen. Den von ihr behaupteten Millionenmarkt mit Kinderpornografie im Netz, so sagen Fachleute, gibt es nicht. Und Internetaktivisten wie Alvar Freunde beweisen, wie sich ein Kinderporno-Server effektiv sperren lässt: Eine E-Mail an den Serverbetreiber reicht.

Anmerkung: Dieser Kommentar von mir erscheint am Montag, 8. Juni 2009 in der INTERNET WORLD Business. Dem Vernehmen nach gibt es innerhalb der SPD erste Anzeichen dafür, dass man die Grundrechte der Bürger nicht so leichtfertig für die Profilierungsversuche des ungeliebten Koalitionspartners aufs Spiel setzen will. Das wäre reichlich spät, aber immerhin besser als zu spät.

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