Dienstag, 19. November 2013

Der kommende Klassiker

Ich habe ihn schon seit vier Monaten, aber hier ist er noch nie erschienen: Mein neuer Citroen C3 Pluriel. Ich hätte ihn schon längst einmal schön durchfotografieren können, bin aber bislang immer noch nicht dazu gekommen. Deutlich über 100.000 Stück hat Citroen im Zeitraum zwischen 2003 und 2010 von diesem skurrilen Auto gefertigt, knapp 20.000 daon wurden nach Deutschland verkauft. Und einer davon ist jetzt meiner.
Der Pluri, wie ich ihn meist nenne, wird bestimmt mal ein Klassiker: Niemals zuvor - und auch nicht danach - ist jemand auf die schräge Idee gekommen, ein solches Auto zu bauen. Und im täglichen Umgang mit dem Pluri fragt man sich auch manchmal, wie die Ingenieure von ihren Chefs eigentlich die Produktionsfreigabe bekommen haben. Denn: Der Pluri ist vier Autos in einem.
  1. Eine Limousine. Genauer gesagt, ein zweitüriges Kompaktwägelchen vom Format eines Fiat 500 auf Cortison.
  2. Ein Cabrio. Der Pluri hat ein elektrisch bedienbares Faltdach, das, wenn man es bis zum Anschlag zurückfährt, ein ganz schön großes Loch ins Auto macht. Drückt man dann nochmal auf den Schalter, dann fährt das Dach über die Heckscheibe und deckt sie ab. Jetzt kann man aussteigen und in einer peinlich genau zu befolgenden Reihenfolge die Heckscheibe (mitsamt Dach) hochklappen, die Heckklappe runterklappen (wie einst beim Mini), einen doppelten Boden im Kofferraum öffnen und die komplette Heckscheibe inklusive Faltdach dort hineinschwenken. Zuvor muss man aber noch die ganzen Abdeckungen herausnehmen, die sich normalerweise unter dem Zwischenboden tummeln. Keine fünf Minuten und zwei Dutzend Handgriffe später hat der Pluri keine Heckscheibe mehr. Dafür wird der (sehr bescheidene) Kofferraum jetzt von einer Hartplastik-Abdeckung verschlossen und die Besatzung sitzt an der frischen Luft. Bei Citroen heißt diese Stellung "Cabriolet"
  3. Ein Spider. Die beiden Dachbögen, die normalerweise das Faltdach führen, lassen sich nach Lösen von insgesamt vier Schnellverschlüssen abnehmen. Danach noch aus der bereits erwähnten Hartplastik-Kofferraumabdeckung die beiden Ecken entnehmen, die hinten die Anschlusstellen für die Dachholme verkleiden, und schon ist das Auto oben ohne. Doch Citroen wäre nicht Citroen, wenn es nicht noch eine Grande Complication gäbe: Die Dachholme sind zwar schnell abgebaut, aber man kann sie nirgends im Auto verstauen, sie müssen in der Garage zurückbleiben. Solange wettertechnisch eine stabile Hochdrucklage vorherrscht, ist das nicht weiter problematisch - und für unerwartete Gewitterschauer gibt es im Zubehör eine Notpersenning. Mit der kann man den Innenraum des Wagens gegen Regen schützen - man kann dann allerdings nicht damit fahren. 
  4. Ein Pickup. Wenn man die hinteren Sitze umlegt, verlängert sich die Ladefläche von etwa 40 cm auf rund 1,20 m. Klappt man dann noch die Heckklappe auf, dann wächst die Länge auf über 1,50 Meter, und was dort nicht hineinpasst, hängt eben hinten raus. Geniale Idee, aber leider illegal, denn wenn man mit offener Heckklappe fährt, dann ist das Hecknummernschild nicht mehr zu sehen. Aber dennoch: Die nächste Kommode vom Ikea wird kein Problem sein.
Abgesehen von dieser skurrilen - und in der Praxis nicht besonders praktischen - Dachkonstruktion gefällt der Pluri mit einer üppigen Ausstattung: Eine Klimaautomatik (die richtig gut funktioniert und sogar das Handschuhfach kühlt), eine Automatik für das Licht und die Scheinwerfer (die so naja funktioniert), eine automatische Ölstandskontrolle, die oft Blödsinn anzeigt, ein wirklich gut klingendes CD-Radio, ein allseitig verstellbares Lederlenkrad (was habe ich das vermisst), ein praktischer Bordcomputer, ein unpraktischer Digitaltacho und ein kaum ablesbarer Drehzahlmesser.
Was der anzeigt, interessiert mich ohnehin nicht wirklich, denn mein Pluri ist ein Sensodrive-Modell. Es hat ein automatisiertes Schaltgetriebe. Das ist ein normales Fünfganggetriebe, das von einem Elektromotor geschaltet wird. Die Kommandos zum Gangwechsel gibt der Fahrer über Schaltpaddel am Lenkrad oder einen Joystick-Schalthebel zwischen den Sitzen. Oder man überlässt diesen Job einem automatischen Schaltprogramm.
Die ersten zwei Monate war mein Verhältnis zu diesem Getriebe ambivalent, um es mal vorsichtig auszudrücken. Wer von einer stufenlosen CVT-Automatik (Fiat Punto Speedgear) kommt, muss ein solches Getriebe, das bei den Gangwechseln ruckt und den Motor heulen lässt, als Rückschritt auffassen. Inzwischen habe ich die Vorteile der Sensodrive-Box zu schätzen gelernt. So hat sie einen deutlich besseren Wirkungsgrad: Der Citroen ist größer und hat 30 PS mehr als der Fiat, dennoch braucht er weniger Sprit. Und mit den Schaltpaddeln kann man jederzeit manuell ins Schaltprogramm eingreifen. Auf der Landstraße gelingen Überholmanöver mit dem Pluri deshalb souveräner als mit dem Fiat, obwohl der Citroen mit 1,2 Tonnen deutlich schwerer ist. Und: Der Pluri schaltet sich fast wie ein Motorrad. In den Bergen macht das richtig Spaß. 
A propos Spaß: Im Sommer ist man mit dem Pluri ganz weit vorn. Nach nur zehn Minuten engagiertem Schraubens hat man hinter den Vordersitzen ein Windschott montiert, und wenn man dann die Cabriolet-Stellung (also mit weggeklappter Heckscheibe) herbeiführt, wird der Pluri zum unschlagbaren Landstraßengleiter. Das Dach einfach nur so auffahren ist eher was für die Stadt und die Kurzzstrecke. Bei etwas höheren Geschwindigkeiten wird es überraschend laut und zugig im Wagen, dazu kommt, dass man bei zurückgefahrenem Dach nicht schneller als 80 km/h fahren soll, damit der Fahrtwind keine Schäder anrichtet. Soll es schneller gehen, fährt man das Dach auf die Heckscheibe, dann gibt es keine Geschwindigkeitsbegrenzug - und keinen Durchblick im Innenspiegel mehr. 
Wie gesagt: Das wird bestimmt mal ein Klassiker.  

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