Montag, 19. Januar 2009

War frisch heute

Wann ist es zu kalt zum Motorradfahren? Die Meinungen darüber gehen auseinander: Teilnehmer des berühmten Elefantentreffens im Winter am Nürburgring lehnen eine Temperatur-Untergrenze traditionell ab - allerdings reisen wahre Elefantentreffen-Kenner auch mit einem Gespann an, welches bei Glätte nicht gleich umfällt (Siehe Foto von der Elefantentreffen-Homepage). Außerdem passt in das Beiboot genügend "Frostschutzmittel" für die kalten Nächte im Nato-Zelt.
Gemessen daran bin ich ein Weichei. Ich fahre - wenn es sich vermeiden lässt - nicht bei Temperaturen unter 0°C, schon gar nicht, wenn die Straßen etwas anderes als trocken sind oder irgendwas Weißes vom Himmel fällt. Der Samstag wäre ideal für ein Saison-Opening gewesen: Die Sonne strahlte, das Motorrad stand bereit vor der Haustür, und die neuen "Held"-Winterhandschuhe, die ich am Freitag gekauft hatte, harrten ihrer Erstanwendung. Aber Samstag hat es zeitlich nicht geklappt.
Also Sonntag. Das Außenthermometer in der Wohnung zeigt schon am Vormittag über 6°C an, also sichere Distanz zu Glatteis aller Art. Sonnenschein gibts heute nicht, aber egal: Die Winterpause muss beendet werden.
Also die Montur angelegt: Ski-Socken, Funktionsunterwäsche, Fleecepulli, Lederhose, Rückenprotektor, Jacke mit Thermo-Inlay und Klimamembran, Stiefel, Helm und die neuen Handschuhe. Die Maschine läuft nach dem ersten Druck auf den Starter, und ab geht es in Richtung Süden. Das viele Zeug auf meinem Leib macht seinen Job sehr gut, mir ist nicht kalt. Nur die neuen Handschuhe könnten etwas wärmer sein, also Griffeizung an. Zwei Stunden habe ich mir Zeit genommen, dann will ich wieder zuhause sein. Zunächst geht es über die A95 aus der Stadt hinaus in Richtung Garmisch. Kurz vor dem Abzweig nach Starnberg kommt ein Rastplatz, da kann man die Autobahn verlassen und über Landstraße weiterfahren.

In Berg am Starnberger See halte ich an einer Tankstelle und fasse Sprit - und einen Plan: Über mir spannt sich eine Wolkendecke, aber die Alpen stehen hell, klar und verlockend am Horizont. Warum nicht schnell dorthin fahren? Mein Navi hat von einer vergangenen Tour noch den Achensee in der Zielliste stehen, also los.
Passt ein Navigationssystem zum Motorradfahren? Ich finde schon. Ich fahre nicht gern mit Tankrucksack, mich stört das Ding vor meinem Bauch. Doch ohne den Rucksack auf dem Tank gibt es auch kein Kartenfach, in das die Landkarte gesteckt werden könnte. Außerdem habe ich vor allem während der Fahrt große Mühe, mich auf einer Landkarte zurecht zu finden. Mein Navi läuft auf meinem Smartphone, das steckt in einer speziellen Tasche, die am Lenker befestigt ist. Der GPS-Empfänger steckt hinten auf dem Gepäckträger in einer Tasche und funkt seine Signale via Bluetooth an das Handy. Die Navigationssoftware (TomTom Navigator 6) ist eigentlich nicht für Motorräder gemacht, doch die Entwickler hatten offenbar dennoch ein Herz für Biker. Wenn man als Option für die Streckenberechnung die Einstellung "Autobahn vermeiden" wählt, dann errechnet das Programm eine Strecke, auf der man flott voran kommt, die aber oft auch sehr schön ausfällt. Richtig eingesetzt, lenkt das Navi auch nicht übermäßig vom Fahren ab. Es zeigt an, wann der nächste Abzweig kommt, bis dahin hat man Ruhe. A propos Ruhe: Natürlich hat das Navi auch eine Sprachausgabe, und ich habe mir extra dafür einen Kopfhörerausgang an die Navitasche gebastelt. Aber den Kopfhörer benutze ich selten, meist reicht das, was ich sehe vollkommen aus.
Auf dem Weg zum Achensee leitet mich mein elektronischer Pfadfinder nach Wolfratshausen und führt mich auf einer Nebenstraße, die ich noch nicht kannte, durch die Stadt. Eigentlich fahre ich öfters durch die Gegend, dennoch finde ich immer wieder neue Straßen. Hinter Wolfratshausen verabschiede ich mich allerdings von dem Plan, heute noch nach Tirol zu fahren. Die Zeit, die ich mir genommen habe, ist viel zu knapp dafür. ich müsste im Dunkeln zurückfahren, das macht schon im Sommer keinen großen Spaß, im Winter ist es regelrecht gefährlich. Also fahre ich über Puppling und Ascholding in Richtung Dietramszell.
Hier ist von Tauwetter wenig zu spüren. Links und rechts der Straße ist alles weiß. Die Straße selbst ist leicht feucht, am Motorrad zeigen sich die ersten Salzablagerungen. Meine Michelin Pilot Road 2 gelten als die idealen Reifen für sowas, nichts rutscht oder schlittert, dennoch traue ich dem Braten nicht und lasse es ruhig angehen. Die Griffheizung arbeitet auf höchster Stufe, dennoch werden die Finger immer kälter. In Emmerkofen, einem winzigen Nest wenige Kilometer vor Dietramszell mache ich eine letzte Pause und genieße das Alpepanorama am Horizont. Dann programmiere ich das Navi auf Heimatkurs und fahre über Harmating, Thanning und Deining in Richtung Kloster Schäftlarn. Eigentlich könnte ich das Gerät jetzt ausschalten, denn hier kenne ich jeden Meter. Auf der kurvigen Strecke zwischen Kloster Schäftlarn und Hohenschäftlarn will ich es wissen: Kriege ich Blickführung und Schräglage noch so gut hin wie im Herbst? Die feuchte, kalte Straße lässt mich zögern - das ging vor einem halben Jahr noch besser. Der begrenzende Faktor bin aber eindeutig ich: das Motorrad zieht seine Bahn wie an einer Schnur gezogen, die Reifen - obwohl sie schon fast 10.000 km auf der Pelle haben - rutschen nicht.
Die letzte Etappe meiner Fahrt führt mich über Neufahrn und Wangen, die Olympiastraße parallel zur A96 und schließlich ab der Anschlusstelle Forstenried über die Autobahn selbst nach hause. 89 Kliometer Fahrtstrecke wird später das Protokoll meines GPS-Loggers ergeben. Und eine Stunde später wird es zu regnen anfangen. Wie gut, dass ich meine Saisoneröffnungstour heute gemacht habe.

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